Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
sollen wir diese Farce von einer Ehe aufrechterhalten? «
Sie hatte hart und klar sprechen, ihm mit Mut und Schärfe die Stirn bieten wollen. Aber wie so häufig klang ihre Stimme weinerlich und anklagend und sogar kindlich. Ein Kind, dachte sie, das um Liebe und Verständnis bettelt.
»Michael«, flehte sie, und damit hatte sie seine Geduld überstrapaziert. Er setzte sich nun auch auf, sah sie aus funkelnden Augen an, und seine Stimme vibrierte vor Wut.
»Hör zu, Franca, ein für allemal, laß mich bei deinen Problemen aus dem Spiel! Ich kann dir nicht helfen, ich kann höchstens mit dir zusammen in diesem Strudel versinken, und dazu habe ich nicht die geringste Lust. Du kommst mir vor wie ein kleines Mädchen, das sich hinsetzt und heult und darauf wartet, daß jemand kommt und es an der Hand nimmt und beschützt und behütet und was-weiß-ich-noch-alles! Aber so funktioniert es nicht, Franca, verdammt noch mal! Für niemanden! Du ziehst dich entweder selbst aus dem Sumpf, oder du läßt dich immer tiefer hineinsinken.
Aber hör auf, um Hilfe zu rufen. Du vergeudest deine Kräfte damit, und die Art von Hilfe, die du haben möchtest, wirst du nicht bekommen!« Er atmete schwer. In seinen Augen konnte Franca nicht einen Funken Sympathie oder Achtung erkennen. Nur Überdruß und Gereiztheit.
»Und jetzt laß mich in Ruhe«, sagte er und legte sich in die Kissen zurück.
Er war recht bald eingeschlafen, wie sie an seinen gleichmäßigen Atemzügen erkennen konnte. Sie hingegen tat die ganze Nacht kein Auge zu. Seine Worte hämmerten in ihrem Kopf, und nachdem Verletztheit und Empörung abgeklungen waren, begriff sie zu ihrem Entsetzen, daß er hart und brutal gewesen sein mochte, daß er aber recht gehabt hatte.
Sie war kein Kind mehr. Es würde keine Mutter herbeieilen und sie in den Arm nehmen. Es würde niemand kommen, ihr alle Steine aus dem Weg zu räumen und ihr noch zu sagen, wie sie ihre Schritte setzen mußte, um wirklich unbeschadet durch ihr Leben zu gelangen.
Sie stand allein da.
Sie mußte entscheiden, was sie als nächstes tun wollte. Sie mußte das Risiko auf sich nehmen, das Falsche zu tun. Sie mußte ihre Schritte allein machen und auch allein verantworten. Ihr schwindelte vor der Gnadenlosigkeit dieser Erkenntnis, aber daneben wuchs auch das Gefühl, weder eine Wahl noch etwas zu verlieren zu haben, und dieses Wissen dämmte die aufkeimende Panik ein. Es war, als befinde sie sich im freien Fall, doch sie konnte sich ebensogut diesem Fall überlassen, weil es keinen Sinn mehr hatte, sich dagegen zu wehren.
Hör auf zu strampeln und um Hilfe zu schreien, sagte eine innere Stimme, und vergrabe dich nicht in deiner Angst. Lebe einfach. Mehr wird von dir nicht verlangt.
Bis zum Morgen hatte sie den Entschluß gefaßt, nach Guernsey zu reisen. Ihr Herz raste, und ihr Magen rebellierte, aber sie versuchte, die hysterischen Reaktionen ihres Körpers zu ignorieren. Sie wartete, bis Michael - schweigend, müde und etwas verstimmt - das Haus verlassen hatte; sie fragte ihn nicht, ob es spät werden würde am Abend, weil es nun gleich war für sie, wann er zurückkam.
Sie hatte den Eindruck, daß ihre Zurückhaltung ihn ein wenig irritierte, und dieser Umstand erfüllte sie mit einem Anflug von Heiterkeit.
Die Tasche war fertig gepackt. Sie mußte noch ihre Schuhe zusammensuchen und dann zur Bank gehen, um Geld abzuheben und umzutauschen. Zwar hatte sie vor, sich ausgiebig von Michaels Konto in St. Peter Port zu bedienen, aber sie war nicht sicher, ob er es sperren konnte, und sie wollte nicht plötzlich ohne Geld dastehen. Sie würde so viel mitnehmen, daß sie mindestens sechs Wochen durchhalten konnte.
Sie würde ihr Gepäck im Auto verstauen und am nächsten Morgen, sofort nach Michaels Aufbruch, losfahren. Ob sie ihm einen Zettel hinterließe mit den Angaben über ihren Aufenthaltsort und irgendeiner Erklärung, war noch zu überlegen. Eigentlich, dachte sie, muß er vorläufig gar nicht wissen, wo ich bin. Er soll sich ruhig ein paar Tage lang Gedanken machen. Ich kann ja später immer noch anrufen.
In einer Art Trance erledigte sie den Tag über, was erledigt werden mußte. Die Panik lag dabei ständig auf der Lauer; sie nahm zwei Tabletten, um sie unter Kontrolle zu halten. Sie war überzeugt, daß Michael nach dem Zusammenstoß der letzten Nacht an diesem Abend zur gewohnten Zeit nach Hause kommen würde; sie deckte den Tisch, bereitete ein Essen vor, stellte eine Flasche Wein kalt. Die
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