Die rote Agenda
bevor der
Chauffeur ihr die Wagentür öffnen konnte.
Im gleichen
Moment hielt hinter ihrem Wagen ein Taxi, aus dem Elvira stieg. Als sie Betta
sah, kam sie lächelnd auf sie zu.
»Was machst
du denn noch unterwegs? Ich dachte, du bist schon längst auf deinem Zimmer«,
rief sie aus. Dann erst sah sie Lorenzo und begrüßte ihn begeistert.
»Deshalb
also hast du das Fest so früh verlassen. Du wolltest deinen wunderbaren Mann
treffen. Lorenzo, wie schön, dich zu sehen!«
Er umarmte
sie. »Ciao, Elvira. Du siehst großartig aus.«
»In
Wahrheit bin ich angeheitert, und meine Schminke verläuft gerade, aber
Komplimente hört man immer gern. Ich habe Leonellas Fest vor einer Stunde mit
den Lanzas verlassen, und wir haben den Abend in einem vollkommen überfüllten
Lokal beschlossen, die reinste Qual. Ich bin zu [360] alt für solche Strapazen,
aber ich möchte doch noch einen Schlaftrunk mit euch nehmen, um Lorenzos
Ankunft zu feiern«, rief sie aus und hakte Betta unter.
Obwohl es
schon nach Mitternacht war, saßen noch Gäste in der Bar des Hotels. Seit
einigen Tagen waren die Hotels an der Küste von Messina wegen der Einweihung
der Brücke und des spektakulären Ausbruchs des Ätnas stärker ausgelastet als
normalerweise.
Weil es
noch sehr warm war und um den Blick auf das beleuchtete Antike Theater zu
genießen, setzten sie sich an einen Tisch auf der Terrasse.
Ein Kellner
kam, um die Bestellungen aufzunehmen. Elvira, die immer aufgedrehter wurde,
fasste ihn am Ärmel. »Bringen Sie uns eine Flasche Veuve Clicquot, wir müssen
anstoßen! Natürlich seid ihr eingeladen«, fügte sie mit Entschiedenheit hinzu.
»Kommt
überhaupt nicht in Frage«, erhob Lorenzo Einspruch. »Das geht auf die
Zimmerrechnung von Signora Malacrida.«
Nachdem sie
vergebens protestiert hatte, fügte sich Elvira schließlich. »Bist du auch nach
Sizilien gekommen, um bei der Einweihung der Brücke dabei zu sein?«, fragte
sie.
»Nein, ich
bin geschäftlich hier. Aber vor allem, um Betta zu sehen. In der letzten Zeit
habe ich sie arg vernachlässigt«, sagte er und lächelte seine Frau an.
Angestrengt
erwiderte Betta das Lächeln. Sie dachte noch daran, was er vorhin zu ihr gesagt
hatte. Wäre Elvira nicht dazwischengekommen, hätte sie ihm sofort klargemacht,
dass sie nach Turin zurückkehren würde, wann es ihr passte, und nicht vorher.
[361] Sie
beschloss, Elvira zu erzählen, was auf der Rückfahrt von der Villa vorgefallen
war. Die Freundin hörte mit aufgerissenen Augen zu und holte, als Betta ihren
Bericht beendet hatte, ihr Handy aus der Tasche.
»Wir müssen
sofort Leonella Bescheid sagen!«
»Das wird
ihr Chauffeur inzwischen schon getan haben«, sagte Betta.
»Ja, das
ist wahr. Lorenzo, was meinst du, wer das gewesen sein kann?«
Lorenzo
zuckte mit den Schultern. »Ich bin überzeugt, dass es sich um eine Verwechslung
gehandelt hat. Sie hatten es mit Sicherheit auf jemand anderes abgesehen.«
Elvira
schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Vielleicht ist es eine indirekte
Drohung an die Chiaramontes. Eine Warnung.«
»Könnten
wir jetzt über etwas anderes reden?«, fragte Betta.
»Du hast
recht, Betta, entschuldige. Du kannst mir morgen alles erzählen. Ach übrigens«,
fuhr sie, an Lorenzo gewandt, fort, »deine Frau hat mir versprochen, mich nach
Messina zur Einweihung der Monster-Brücke zu begleiten.« Sie machte eine
beredte Grimasse. »Du solltest auch an den Feierlichkeiten teilnehmen. In
Sizilien fehlt es an Zügen, und Kanalisation und Autobahnen sind in einem
verheerenden Zustand. Dafür gibt es ab morgen hier, in der am stärksten
erdbebengefährdeten Gegend Italiens, eine größere Brücke als die Golden Gate.«
Der Kellner
kam mit dem Tablett, auf dem Sektkelche und ein Eiskübel mit einer Flasche
Veuve Clicquot standen. Während er dabei war, alles auf den Tisch zu stellen, [362] begannen
die Kristallgläser zu klirren, um dann vom Tablett zu fallen und auf dem Marmorboden
zu zerspringen. Der Kellner packte die Flasche, doch der Sektkübel flog zu
Boden, und die Eiswürfel verteilten sich überall, vermischten sich mit den
Glasscherben.
»Ein
Erdbeben!«, schrie jemand.
Die Gäste
an den Tischen wechselten alarmierte Blicke. Einige Augenblicke lang waren alle
stumm vor Schreck, und die Zeit schien stillzustehen. Doch es geschah nichts
mehr, und die Gäste der American Bar begannen sich langsam erneut zu bewegen
und zu reden.
Der
Kellner, der sie bediente, hob den Eiskübel auf und
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