Die rote Agenda
diesen Namen verdiente, entführen
zu wollen war der reine Wahnsinn. Leider hatte er sich nicht vorstellen können,
dass der Sizilianer es wagte, auf eigene Faust zu handeln, ohne ihn zu Rate zu
ziehen. Doch seit sie sich auf der Insel aufhielten, war der Sizilianer nicht
mehr der gleiche umsichtige und vernünftige Mann, der ihm so viele Jahre
gedient hatte. Es war, als hätte die Rückkehr in seine Heimat bewirkt, dass er
sich unbesiegbar glaubte.
Der Senator
ließ sich müde gegen die Rückenlehne des Korbsessels fallen und dachte, dass es
nun zu spät für alles sei, auch dafür, sich von diesem Spinner zu befreien. Die
aktuellen Nachrichten waren entsetzlich. In den letzten Tagen hatten weitere
blutige Anschläge in Sizilien und auf dem Festland bestätigt, dass der
Mafiakrieg nun voll im Gange war; ganz zu schweigen davon, dass ununterbrochen
Haftbefehle gegen Exponenten der Regierung und der Finanzwirtschaft erlassen
wurden. Sein Name war in den Zeitungen noch nicht aufgetaucht, doch sicher
hielten sie ihn in Reserve für den Zeitpunkt der vollständigen Veröffentlichung
des Inhalts der Agenda.
[353] Er
erkannte eine präzise Strategie im Timing und in der Ausführung dieser
Abrechnung. Er konnte sich vorstellen, wer der Urheber dieses sadistischen
Modus Operandi war. Er musste an den Präsidenten und seinen jämmerlichen
Versuch denken, die Agenda wiederzubeschaffen. Der persönliche Geheimdienst,
dessen er sich bediente, konnte gewiss nicht mit den Kräften konkurrieren, die
man gegen sie aufgeboten hatte, doch dieser Irre würde weitermachen bis zum
bitteren Ende. Wegen ihm würde es noch mehr Tote geben.
»Wir
brechen morgen in aller Frühe auf«, sagte der Sizilianer und holte ihn aus
seinen Gedanken. »Es wird uns ein ›Ataúd‹ zur Verfügung gestellt, ein
sogenannter ›Sarg‹, ein kleines U-Boot, mit dem gerade 5000 Kilo Kokain
angekommen sind. Dann fahren wir nach Malta, wo ein Flugzeug nach Südamerika
auf uns wartet.«
»Ein
U-Boot? Und was für ein Name…«, rief der Senator aus und machte ein
beschwörendes Zeichen.
Der
Sizilianer lachte und tat es ihm nach. »Seit ein paar Jahren ist es das
sicherste Mittel, um Drogensendungen zu befördern, das haben wir von den
Südamerikanern gelernt. Das U-Boot heißt so, weil in den ersten, noch nicht
ausgereiften Modellen ein paar Leute umgekommen sind. Doch unseres ist eines
der besten, dessen Tank für viertausend Kilometer reicht, ein Juwel der letzten
Generation, das vierhunderttausend Euro kostet. Es ist mit GPS und einem Kühlsystem ausgerüstet, um eine
Lokalisierung durch Radar zu verhindern. Es fährt in geringer Tiefe und
ziemlich langsam, damit keine Streifen zu sehen sind, aber dennoch werden wir
nicht lange brauchen, um nach Malta zu kommen. Vom Strand werden wir von
Männern des Vertrauens zum [354] Flugzeug eskortiert. Sie müssen sich keine Sorgen
machen, es ist alles perfekt organisiert und unter Kontrolle.«
»Vertraust
du diesen Leuten?«, fragte der Senator wenig überzeugt.
»Wie mir
selbst. Sollten sie uns verraten, würden sie nicht lange leben, die Guerrazzi
würden sie in Zement stecken oder in Säure auflösen. Und das wissen sie.«
»Matteo
Trapani wird die Insel auf den Kopf stellen, um zu erfahren, wer es gewagt hat,
seine Frau zu bedrohen. Und er wird nicht lange brauchen, um es
herauszufinden«, sagte der Senator.
»Das glaube
ich nicht«, widersprach ihm der Sizilianer. »Meine Familie ist mächtig und
deckt uns.« Dann wechselte er das Thema: »Wissen Sie, wie man diesen Ort hier
nennt?«
Der Senator
schüttelte den Kopf und tat so, als interessiere es ihn.
» Wo Jesus Christus die Schuhe verloren hat. So verlassen ist
es hier.«
[355] 54
In
Catania warteten Stuart und Ogden auf Nachrichten von Alimante, der sich
glücklicherweise in dieser Nacht in Rom aufhielt. Seit Verena sie eine Stunde
zuvor angerufen und Alarm geschlagen hatte, hatten sie mehrmals versucht,
Kontakt mit dem safe house in Olgiata aufzunehmen,
ohne Antwort zu erhalten.
Endlich
läutete das Telefon.
»Meine
Männer sind vor Ort«, sagte Alimante. »Es hat einen Schusswechsel gegeben, doch
die Agenten sind nicht verletzt, und Astoni geht es gut. Eine Profitruppe hat
das Haus gestürmt, doch meine Männer, die im Garten postiert waren, haben sie
vertrieben. Die drei Kommandos wurden doch tatsächlich von einem General
befehligt. Neben seiner offiziellen Funktion stand der Mann an der Spitze einer – sagen wir einmal –
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