Die rote Agenda
angegriffenen Nerven zu wirken. Es folgte ein Schweigen, das sich ein paar
Sekunden lang hinzog. Ihre Mutter wartete geduldig, sie wusste, dass die
Drohung wirkte.
»Ist gut,
Mama«, kapitulierte Betta schließlich. »Mit dem [370] ersten Flug komme ich zu
dir. Aber ich kann dir noch nicht sagen, wann ich da bin.«
Ihre Mutter
seufzte erleichtert auf. »Danke, Liebes, du bist ein Engel. Ich schicke dir
eine SMS , falls sie mich ins Krankenhaus bringen
sollten, während du unterwegs bist. Und ich sage auch der Haushälterin, dass
sie dich benachrichtigen soll. Komm schnell, ich bitte dich!«
Um halb
acht gelang es Betta, einen Platz für den 11-Uhr-Flug von Catania nach Turin zu
reservieren, das Hoteltaxi würde sie zum Flughafen bringen. Sie frühstückte,
packte, hinterließ für ihren Mann eine schriftliche Nachricht auf dem
Schreibtisch und eine SMS auf seinem Handy. Da
sie Elvira um diese Zeit nicht stören wollte, hinterließ sie auch für sie zwei
Zeilen an der Rezeption.
Um zehn,
als sie schon am Flughafen Fontanarossa war und gerade beim Check-in ihren
Koffer abgeben wollte, läutete ihr Handy erneut.
»Ciao,
Betta, ich bin’s, Papa. Wie geht es dir?«
Ihr Vater
schien bester Laune, wie immer, wenn er sich auf einem Golfplatz befand, und
erst recht, wenn er an einem Turnier teilnahm.
»Ciao,
Papa, wo bist du?«
»In
Castelconturbia, beim Golf Open. Zum Glück finden sie dieses Jahr in der Nähe
von Turin statt. Ich gehe gleich auf den Platz, aber ich wollte mit Lorenzo
sprechen, wenn ich ihn nicht störe. Ich habe gerade heute Morgen von der Bank
eine Sache erfahren, die ihn interessieren könnte; es geht um die Firma, die er
kaufen will.«
Betta
schwieg, sie war unentschlossen. Dann stellte sie ihrem Vater, zum ersten Mal
in ihrem Leben, eine Falle.
[371] »Er ist
gerade unter der Dusche, aber sicher gleich fertig. Warte… ich rufe ihn.
Lorenzo! Papa ist am Telefon!« Dann, einen Augenblick später: »Er kommt sofort.
Inzwischen können wir beide uns ein bisschen unterhalten. Wie geht es Mama?«
»Sehr gut,
ich habe gerade eben noch mit ihr gesprochen, sie wollte zum Friseur gehen. Sie
schlägt sich mit einer Haushaltshilfe herum, die sie gerade eingestellt hat. Du
weißt doch, wie sie das immer durcheinanderbringt, neue Leute im Haus zu
haben.«
»Bist du
sicher, dass es ihr gutgeht? Das letzte Mal, als ich mit ihr telefoniert habe,
hat sie gesagt, sie wolle zum Arzt gehen.«
»Ach was!
Es ist ihr noch nie so gut gegangen. Außerdem weißt du doch, dass sie Ärzte
hasst.«
Betta
spürte eine furchtbare Wut in sich aufsteigen. Ihre Mutter hatte sie angelogen
und sich mit Lorenzo verschworen, um sie zur Abreise zu bewegen. Und dann war
sie auch noch dumm genug gewesen, ihrem Vater nichts davon zu sagen.
»Schatz,
kommt Lorenzo jetzt? Ich muss um halb elf am ersten Abschlag sein und bin noch
im Clubhaus.«
Betta hielt
das Handy vom Ohr weg, sah es ein paar Sekunden lang an und machte es dann ohne
ein weiteres Wort aus.
Sie würde
nach Taormina ins Hotel zurückkehren und am Nachmittag zur Einweihung dieser
verdammten Brücke gehen.
Sie nahm
den Koffer, den sie noch nicht abgegeben hatte, und wandte sich dem Ausgang zu.
[372] 58
Um
fünf Uhr morgens hatten sich die Agenten des Dienstes mit den Männern der
Spezialeinheit bei einer kleinen Bucht nicht weit vom Hafen von Portopalo
getroffen. Als auch Matteo Trapani zu ihnen gestoßen war, gingen alle hinter
den verfallenen Mauern der Tonnara, einer alten Thunfischfanganlage, in Deckung
und warteten. In einer Stunde würden der Senator und der Sizilianer zu dieser
verlassenen Bucht kommen, um an Bord des U-Boots zu gehen, das sie nach Malta
bringen sollte.
Eine
wundervolle Landschaft umgab sie. Trotz der Umstände konnte Ogden nicht anders,
als diesen äußersten Zipfel Siziliens im klaren Licht des sonnigen Morgens zu
bewundern. Die Blüte der mediterranen Macchia war auf ihrem Höhepunkt, und der
Geruch von Salz mischte sich mit dem Duft der Vegetation.
Um Punkt
sechs Uhr sahen sie einen alten Landrover ankommen, aus dem der Senator und der
Sizilianer stiegen. Über den Strand gingen sie auf den Rest einer Mole zu, die
ungefähr fünfzig Meter ins Meer hineinreichte. Auf ein Zeichen von Ogden kamen
die Männer von Comandante Giani aus der Deckung und umstellten sie.
Als Erster
drehte sich der Sizilianer um. Dem entsetzten Blick folgte ein Ausdruck von
purem Hass. Er machte eine [373] Bewegung, als wollte er die Pistole aus
Weitere Kostenlose Bücher