Die rote Agenda
›abweichenden‹ nachrichtendienstlichen Gruppe, aber
eigentlich sind sie das ja mehr oder weniger alle. Er steht einer bunten Truppe
aus falschen Freimaurern, Mafiosi, Politikern und Unternehmern vor. Unser
General hat jahrelang an mehreren Fronten gekämpft, geheime Informationen
gesammelt, Staatsbedienstete, leitende Bankiers und hochgestellte
Persönlichkeiten bestochen, doch er war vor allem spezialisiert auf die
Erstellung falscher Dossiers, mit denen er Leute in der Politik und im
Finanzwesen erpressen [356] konnte – praktisch alle, die Ärger machten und bei der
Auftragsvergabe hinderlich waren. Und das Beste zum Schluss: Die Gruppe
finanzierte sich selbst durch in betrügerischer Absicht durchgeführte komplexe
Transaktionen im Ausland. Er scheint praktisch einen Mini-Geheimdienst zum
persönlichen Gebrauch des Präsidenten und dessen engsten Getreuen geleitet zu
haben. Leider hat sich der Ärmste mit einem Loch im Kopf in ein besseres Leben
verabschiedet, deshalb können wir ihn nicht vor Gericht bringen. Schade, seine
Aussage hätte Aufsehen erregt.«
»Da gehen
jemandem die Nerven durch«, bemerkte Stuart, der über die Freisprechfunktion
mitgehört hatte.
»Das glaube
ich gern! Doch statt in irgendein ihnen freundlich gesinntes Land zu fliehen,
meinen sie, mit uns Krieg führen zu können. Wie dem auch sei, die Dinge
verlaufen planmäßig. Der Provinzpräsident von Sizilien wird morgen verhaftet,
ebenso der stellvertretende Bürgermeister von Catania. Dann werden die
Haftbefehle auch den Norden erfassen, eine unaufhaltsame Eskalation«, fügte er
bissig hinzu.
Ogden
schaltete sich in das Gespräch ein. »Wir müssen noch ein weiteres Dokument
sicherstellen. Stuart wird heute Nacht nach Turin aufbrechen.«
»Was für
ein Dokument?«
»Eine DVD «, sagte Stuart, »die, wie es scheint, explosives Filmmaterial
enthält. Ich erkläre Ihnen später, wie wir davon erfahren haben.«
»Wie Sie
wollen. Eine DVD wird sicher interessant sein,
obwohl die Agenda eigentlich schon alles enthält, was wir brauchen. Zeigen Sie
mir aber die DVD auf jeden Fall, sobald Sie sie
haben.«
[357] »Natürlich«,
versprach Ogden und wechselte dann das Thema. »Wo werden Astoni und unsere
Agenten nach diesem Überfall untergebracht?«
»Das ist
kein Problem«, antwortete Alimante. »Ich informiere Sie über die neue
Unterkunft, sobald sie umgezogen sind. Neuigkeiten, was den Senator angeht?«
»Wir
erwarten Nachrichten von Matteo Trapani.«
»Gut,
sobald Sie die haben, rufen Sie mich an. Ich will dabei sein, wenn Sie ihn
fassen.«
[358] 55
Im
Mercedes betrachtete Betta Malacrida ihren Mann. Alle paar Sekunden erhellte
ein Lichtstrahl den Innenraum und ließ sein Profil aufleuchten. Der Wagen, vom
Chauffeur gelenkt, fuhr zügig die Strandpromenade entlang, gefolgt von dem Alfa
Romeo mit den Bodyguards.
Seit er sie
bei den Carabinieri in Taormina abgeholt hatte, war Lorenzo still gewesen,
versunken in seine Gedanken. Doch er hielt ihre Hand und drückte sie von Zeit
zu Zeit, als wollte er sich dafür entschuldigen, dass er nicht an ihrer Seite
gewesen war, als man sie bedroht hatte.
Auf dem
Revier waren die Dinge schnell geklärt worden. Lorenzo hatte sie zuerst in den
Arm genommen und sich vergewissert, dass es ihr gutging, dann war er in das
Zimmer des Kommandanten gegangen, wo er ungefähr zehn Minuten blieb. Als er
herausgekommen war, hatte der Kommandant sie persönlich zum Ausgang gebracht,
um sich dann ausgesprochen freundlich von ihnen zu verabschieden, nachdem er
ihnen angeboten hatte, sich bei Bedarf direkt an ihn zu wenden.
»Wieso
warst du denn in Taormina? Ich dachte, du wärst in Palermo«, fragte Betta ihren
Mann, da sie sich erst in diesem Moment an das Telefonat vom Nachmittag
erinnerte.
»Ich wollte
dich überraschen«, log er.
[359] Die
Antwort überzeugte sie nicht, doch sie war zu müde, um nachzuhaken, und ließ es
dabei bewenden.
Als der
Wagen vor dem Hotel hielt, führte Lorenzo Bettas Hand an seine Lippen und
küsste sie. »Ich möchte, dass du morgen nach Turin zurückkehrst«, sagte er
leise und sah ihr in die Augen.
Verwundert
erwiderte sie seinen Blick. Obwohl sie eigentlich genau das tun wollte, ertrug
Betta es nicht, dass er ihr alles vorschrieb.
»Und
warum?«, fragte sie verärgert.
»Ich bitte
dich, tu, was ich dir sage. Ich werde es dir später erklären, jetzt musst du
mir vertrauen.«
Sie zuckte
die Achseln, ohne zu antworten, und stieg aus dem Mercedes, noch
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