Die rote Agenda
Journalisten
bevölkerten die für sie reservierten Pavillons. Seit den frühen Morgenstunden
waren die Fernsehkameras so aufgestellt worden, dass sie aus den besten
Blickwinkeln die Limousinen der Würdenträger aufnehmen könnten, die über die
Brücke fahren sollten. Zahlreiche festlich beflaggte kleine und große Boote
drängten sich auf dem Meer, von der Küstenpolizei in Sicherheitsabstand
gehalten.
Das
Programm sah vor, dass vier Autos über die Brücke fahren würden: das erste mit
dem Präsidenten der Republik und dem Ministerpräsidenten, das zweite mit dem
Senatspräsidenten, dem Präsidenten der Region Sizilien und dem Umweltminister,
die anderen beiden, an der Spitze und am Ende der Kolonne, mit den
Leibwächtern.
Überall in
der Stadt waren Ordnungskräfte im Einsatz, besonders dicht um die Brücke herum,
man hatte Scharfschützen strategisch positioniert, und unzählige Kameras nahmen
ununterbrochen die Ereignisse im gesamten Bereich auf.
Schon seit
dem Morgen fanden in der ganzen Stadt Feste, Umzüge, Märkte und Zeremonien
statt, auch Prozessionen, bei denen die Gläubigen ihre Heiligen, die diesem
langerwarteten Ereignis ihren Schutz gewähren sollten, auf den Schultern
trugen. Die Festlichkeiten würden sich bis in die [387] späte Nacht hinziehen und
mit einem unvergesslichen Feuerwerk ihren Abschluss finden. Messina hatte sich
in einen Souk aus Farben und Blumen verwandelt, zur Freude der Händler, die
wenigstens für ein paar Stunden die durch die Wirtschaftskrise bedingten
mageren Zeiten vergessen würden.
Nicht
einmal die Nachrichten in den Morgenzeitungen hatten den Sizilianern das Fest
verdorben. Doch ja, ein bedeutender Bankier der Insel war entführt worden, und
es gab nicht viel Hoffnung, ihn lebend aufzufinden, da seine Verwicklung mit
den Clans bekannt war. Und als ob das nicht genügte, hatte in der Nacht eine
Schießerei die wichtige Familie Carrisi dezimiert und damit den aktuellen
blutigen Mafiakrieg noch einmal verschärft. In Mailand dagegen war ein
bekannter Finanzier, der zu den üblichen Verdächtigen, aber auch zu wichtigen
Banken im Norden in Verbindung stand, in seiner Wohnung am Corso Venezia
getötet worden. In der Stadt ging das Gerücht, er hätte das Vermögen
irgendeiner Person nicht gut verwahrt. Um elf erregte eine Nachricht mehr
Aufsehen als die anderen: Calcedonio Minniti, der Präsident des
Bauunternehmens, das sich den Löwenanteil des Auftrags für den Bau der Brücke
gesichert hatte, war auf dem römischen Flughafen Fiumicino verhaftet worden,
als er schon im Flugzeug saß, das ihn nach Sizilien zur Einweihung bringen
sollte. Ein Bericht in den Fernsehnachrichten zeigte, wie er, flankiert von
zwei Carabinieri, das Flugzeug wieder verließ, in das er gerade erst
eingestiegen war.
Elvira und
Betta nahmen kurz vor ein Uhr auf der Ehrentribüne neben Leonella Chiaramonte
und ihren Freunden Platz. Von hier aus würden sie bequem die Ansprachen der [388] verschiedenen
Vertreter der Regierung und der Region Sizilien verfolgen können, die
schließlich mit der Rede des Präsidenten der Republik ihren krönenden Abschluss
finden sollten.
Die Menge
belagerte die Absperrungen, die die Tribüne der Würdenträger umgaben, in
Erwartung, dass die Zeremonie ihren Anfang nähme. Endlich stieg der erste
Politiker auf die Tribüne, und die Fernsehkameras wurden eingeschaltet.
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Die
Männer des Dienstes erreichten Messina kurz vor der Zeremonie. Alimante, auf
dem Flug nach Catania, wurde kontaktiert und über den von Salvatore Partanna
geäußerten Verdacht unterrichtet.
»Wenn sie
in die Luft fliegen, ist das nicht so schlimm, auch wenn ich sie lieber vor
Gericht bringen würde«, bemerkte er. »Ich habe die Ordnungskräfte schon über
einen möglichen Anschlag informiert und sie davon in Kenntnis gesetzt, dass
auch ihr vom Dienst bei der Sicherheit mitarbeitet. Sie suchen gerade zum x-ten
Mal die Pfeiler und die Brücke auf Sprengstoff ab.«
»Aber da
ist noch etwas«, fügte er hinzu. »Auf dem amerikanischen Stützpunkt Sigonella
bei Catania wird die weltweit größte Spionagezentrale der amerikanischen Armee
errichtet, für kriegerische Einsätze in Afrika, im Kaukasus und im Persischen
Golf. Matteo Trapani ist als Lorenzo Malacrida der Hauptaktionär des
italienischen Unternehmens, das sich, zusammen mit zwei amerikanischen, die
Aufträge in dem militärischen Vorposten gesichert hat, wo unter anderem ein
Dutzend unbemannter Spionageflugzeuge
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