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Die rote Antilope

Die rote Antilope

Titel: Die rote Antilope Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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geblieben war. Der Mann beugte sich vor und musterte sie. Dann sah er Daniel mit schmalen Augen ins Gesicht.
    - Komm näher, sagte er. Damit ich dich anschauen kann.
    Daniel hockte sich ans Feuer. Der Mann warf ein paar Stöcke hinein, so daß es aufflammte.
    - Du bist tatsächlich ganz schwarz, sagte er. Einmal habe ich einen wie dich auf einer Straße in Malmö gesehen. Warst du das?
    - Ich weiß nicht. Ich heiße Daniel, und ich glaube an Gott.

    - Und das Mädchen?
    - Ich habe keinen Namen, sagte sie. Aber man nennt mich Sanna.
    - Und ihr wollt, daß ich euch nach Kopenhagen übersetze? Weil ihr von irgendwo ausgerissen seid?

    Sanna fing plötzlich an zu weinen. Sie zog die Strickjacke vors Gesicht.

    - Nicht daß es mich kümmert, warum ihr weggelaufen seid, sagte der Mann. Kindern wird übel mitgespielt. Ich bin selbst einmal aus Älmhult weggelaufen und hier gelandet.

    - Wir müssen gleich losfahren, sagte Daniel. Der Mann schüttelte den Kopf.

    - Es geht kein Wind. Und über den Sund rudern tu ich euch nicht.
    - Ganz windstill ist es nicht, sagte Daniel. Dein Boot ist klein. Es braucht nicht viel Wind.
    Der Mann brach in Gelächter aus. Er hatte fast keine Zähne mehr. Dann schnappte er sich die Geldscheine, die Sanna in der Hand hielt.
    - Hinübertreiben lassen können wir uns immer, sagte er. Hilf mir auf. Meine Beine sind steif.
    Daniel nahm seinen Arm. Der Mann stieß die brennenden Holzstöckchen ins Wasser, wo sie aufzischten und erloschen.
    - Kommt an Bord, sagte der Mann. Setzt euch in die Mitte. Da liegt eine Decke.
    Sanna hatte jetzt aufgehört zu weinen. Aber sie zögerte, ins Boot zu steigen.
    - Es sinkt, sagte sie. Die Fische werden in meinen Körper schwimmen und mich auffressen.
    - Es sinkt nicht, erwiderte Daniel. Erinnere dich daran, was ich in der Tasche habe.

    Sanna kletterte ungelenk ins Boot.
    - Da ist Wasser drin, rief sie. Wir sinken schon.

    - Nur ein paar Tropfen, sagte der Mann. Irgendwo muß ein Schöpfeimer sein.
    Daniel stieg ein. Als er merkte, daß das Boot sich bewegte, verspürte er eine große Erleichterung. Der Mann machte die Leine los und schob das Boot hinaus. Dann hißte er das dreieckige Segel und setzte sich ans Ruder. Langsam trieben sie aufs Wasser hinaus. Dann und wann kam eine Windbö und blähte die Segel.

    - Sinken wir? fragte Sanna.
    - Wir sind jetzt unterwegs.

    Sanna kicherte. Dann flüsterte sie Daniel ins Ohr:
    - Er hat nicht das ganze Geld bekommen. Zwei Scheine habe ich behalten.

    Das Boot trieb vom Land weg. Das Wasser gluckerte leise.
    - Ich heiße Hans Höjer, sagte der Mann am Ruder. Ich bin tausend Jahre alt, ich fische, und ich weiß, wenn ich an einem Feuer draußen auf dem Pier sitze, kommt immer irgend jemand vorbei, der mir entweder Gesellschaft leistet oder nach Kopenhagen hinüberwill. Ich huldige der Freiheit. Es ist mir egal, ob es Diebe oder Huren oder Falschmünzer sind, die übersetzen wollen. Mörder nehme ich nicht an Bord. Aber ich gehe davon aus, daß ihr niemanden totgeschlagen habt. - Jemand hat mich totgeschlagen, gab Sanna zurück.
    - Nicht ganz, gluckste Hans Höjer. Noch lebst du.

    Dann starb er. Daniel sah, wie er sich plötzlich an die Brust griff, röchelte, versuchte, Luft in die Kehle zu ziehen, und kopfüber hinfiel. Sanna hatte nicht gemerkt, was geschehen war, da sie sich gerade in die Decke wickelte.
    - Pfui Teufel, wie das riecht, sagte sie.

    Daniel antwortete nicht. Er streckte den Arm aus und suchte nach einer der großen Adern am Hals des Mannes. Er konnte keinen Pulsschlag fühlen.
    Das Boot begann sich im Wind zu drehen. Das Segel schlug hin und her. Sanna schloß die Augen, den Kopf aus der schmutzigen Decke gestreckt.
    - Er ist gestorben, sagte Daniel. Sanna antwortete nicht.

    Daniel versuchte zu überlegen. Warum war er gestorben? Es konnte nur eine Erklärung geben. Es bedeutete, daß Daniel das Ruder übernehmen sollte. Hans Höjer hatte wirklich bei seinem Boot gesessen und auf sie gewartet.
    - Er ist gestorben, wiederholte Daniel. Sanna öffnete die Augen und sah ihn an.
    - Wer ist gestorben? Ich weiß, daß Vanja gestorben ist. Ist noch jemand tot?

    Dann entdeckte sie, daß ganz hinten am Ruder keiner mehr saß. Sie erhob sich auf die Knie.

    - Ist er tot?
    - Er fiel einfach hin und hörte auf zu atmen. Sanna kniff ihn fest in den Arm.

    - Dann sinken wir.
    - Ich setze mich ans Ruder.

    - Was sollen wir mit ihm machen? Soll er hier liegen und tot
    sein?
    - Ich weiß nicht, sagte Daniel. Erst muß

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