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Die rote Antilope

Die rote Antilope

Titel: Die rote Antilope Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Lauf mir nicht hinterher.
    Sie drehte sich um und rannte weiter. Daniel blieb stehen und sah ihr nach. Was geschehen war, wußte er nicht. Wäre es Vater gewesen, der einen Stein nach ihm warf, hätte er Angst bekommen. Aber nicht bei Sanna. Er war es nicht, auf den sie böse war. Es war jemand anders.

    Am folgenden Tag zog ein starker Wind über die braunen Äcker. In der Nacht hatte er von den Ochsen geträumt, die ihn und Vater durch die Wüste gezogen hatten, der Stadt entgegen, wo das Schiff wartete. Sie waren im Sand begraben gewesen. Nur die Köpfe sahen heraus. Sie hatten vor Schreck gebrüllt, und der Sand hatte langsam auch ihre Köpfe bedeckt. Er hatte daneben gestanden und die Tiere betrachtet. Er hätte ihnen gern geholfen, den Sand mit den Händen weggeschaufelt. Aber seine Hände waren weg. Seine Arme waren wie dürre Äste gewesen, die von den Schultern herabhingen.

    Der Traum hatte ihn aus dem Schlaf geholt. Erst hatte er nicht gewußt, wo er sich befand. Dann hatte er das Schnaufen der Mägde gehört und den Knecht, der murmelte und einen Furz ließ. Er hatte ganz still im Dunkeln gelegen und versucht zu verstehen, was die Ochsen, die im Sand begraben waren, ihm erzählen wollten. Ohne daß er hätte erklären können, warum, wußte er, daß es Be war, die dahintersteckte. Sie hatte ihm diesen Traum geschickt. Aber er konnte ihn nicht deuten. Die Unruhe trieb ihn aus dem Bett. Der Fußboden war kalt.
    Vorsichtig stellte er sich auf den Rock einer Magd, der vom
    Fußende des Betts geglitten war. Für einen kurzen Moment glaubte er sich von all den Menschen umgeben, die damals tot im Sand gelegen hatten, als Kiko und Be ihn verlassen hatten. Ihre flüsternden Stimmen waren gegenwärtig, jemand, der leise lachte, und der Duft von frisch geschlachtetem Fleisch. Er versuchte, ihre Körper einzufangen. Aber es gelang ihm nicht, da war nichts als die Stimmen in der Dunkelheit.
    Danach schlief er unruhig bis zum Morgengrauen. Nachdem sie gefrühstückt hatten, half er Edvin das Pferd vorzuspannen. Alma rief ihn in die Küche und legte ihm das schmutzige ABCBuch hin, das sie von Magister Kron ausgeliehen hatte, der bald Daniels Lehrer werden sollte. Daniel betrachtete die Bilder und versuchte sich das Alphabet einzuprägen. Im allgemeinen machte es ihm Spaß. Doch die Unruhe nach dem nächtlichen Traum machte es ihm schwer, sich zu konzentrieren. Als Alma ihn für einen Moment allein ließ, klappte er das Buch zu, wickelte sich einen Schal um den Kopf und ging hinaus. Der kalte Wind nahm ihm fast den Atem, aber dann lief er zum Hügel, der immer auf ihn wartete. Als er hinkam, entdeckte er Sanna, die im Lehm grub. Das machte ihn froh. Er dachte, er sollte ihr seinen Traum erzählen. Vielleicht könnte sie ihm erklären, was er bedeutete. Als sie ihn kommen sah, stand sie auf und winkte. Sie schaute auf seine Wange.

    - Ich habe es nicht so gemeint, sagte sie. Ich meine es nie so, was ich auch tue.

    - Es tut nicht weh.
    - Gestern habe ich zu Gott gebetet. Ich habe ihn gebeten, mir zu vergeben. Ich glaube, er hat mir zugehört.

    Daniel erzählte ihr von seinem Traum. Er wurde ärgerlich, als er nicht die richtigen Worte fand, aber Sanna hörte zu. Sie hörte ihm auf eine Weise zu, wie Vater es nie getan hatte.
    - Ich begreife überhaupt nichts, sagte sie. Ich weiß nicht mal, was eine Wüste ist. So viel Sand?
    Sie deutete hinaus auf die braunen Äcker.
    - Müßte das hier alles Sand sein? Und warm?
    - Du würdest dir die Füße verbrennen.

    Sie stützte das Gesicht in die Hände und überlegte.
    - Also wäre es so, als würde man zwei Pferde hier im Lehm eingraben, sagte sie. Und sie würden wiehern, als ob der Schlächter vor ihnen stünde.
    Dann warf sie einen Lehmbatzen nach Daniel. Es tat nicht weh, und sie lachte.
    - Das denkst du dir aus. Solche Träume gibt es nicht.

    - Ich habe es so geträumt, wie ich es erzählt habe.
    - Du bist genauso komisch wie ich. Aber ich lüge wenigstens nicht.

    Dann ging alles sehr schnell. Daniel sah, daß Sanna auf etwas reagierte, und sprang auf. Hinter ihm befand sich etwas, aber er schaffte es nicht, sich umzudrehen, bevor eine Faust seinen Mantel packte und ihn hochriß. Der Mann, der da stand, war groß und vierschrötig, und Tabaksaft sickerte ihm aus einem Mundwinkel. Er ließ Daniel los und versetzte ihm eine Ohrfeige, daß er umfiel. Sanna versuchte wegzulaufen, aber er packte sie am Arm. Er schlug ihr mehrmals hart ins Gesicht. Sie schrie.
    - Habe ich dir

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