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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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sie den wohligen
Duft einer würzigen Fleischbrühe mit Gemüse, offenbar Hammeleintopf. Unter
vernehmbarem Knurren zieht sich ihr der leere Magen schmerzhaft zusammen.
Unsicher bleibt sie vor dem Kamin stehen und blickt ins rötlich verschwitzte
Gesicht von Bess, die mit einem langen Holzlöffel in einem Kessel über dem
Herdfeuer rührt.
    Joan räuspert sich.
„Entschuldige. Ich soll dich von Tom, deinem heißesten Verehrer grüßen.“
    Bess blickt überrascht auf und
verkneift sich prustend das Lachen. Ihre meergrauen Augen blicken belustigt und
behalten dies bei, als sie Joan wohlwollend mustern. Sie schüttelt den Kopf.
„Der alte Gauner weiß schon genau, wie er mich wieder herumkriegt“, murmelt sie
vergnügt, woraufhin Joan nicht weiß, wohin sie vor Peinlichkeit blicken soll.
    Es entlockt der Küchenmagd ein
belustigtes Kichern.
    Verstimmt beobachtet Joan
daraufhin, wie der Dampf des Hammeleintopfes kringelnd in den Rauchfang des
Kamines abzieht und bemerkt wehmütig die grossen Schinken und Würste, die dort
in den Rauch gehängt wurden. Als sie ein kaum merkliches Scheppern vernimmt,
blickt sie verstohlen zur Seite. Bess holt soeben einen Holznapf von einem Bord
an der Wand, um ihn mit heißem, dicken Eintopf zu füllen. Dann bricht sie ein
großes Stück von einem dunklen Laib Brot auf einem nahen Tisch ab, das sie dick
mit Griebenschmalz aus einem Steinguttöpfchen bestreicht, und reicht beides an
Joan. „Warte“, meint sie noch, bevor sie in einem großen irdenen Krug voller grob
geschnitzter Holzlöffel zu wühlen beginnt. Einen kleineren davon steckt sie ihr
dann in den vollen Napf. Auf Joans erstaunte Miene hin weist sie lächelnd mit
dem Kopf in eine Ecke der Küche, zu einem langen Tisch mit zwei ebenso langen
Bänken.
    Joan blickt sie dankbar an und
eilt hinüber. Kaum hat sie Platz genommen, verbrennt sie sich vor Hast den
Mund. Ungeduldig pustet sie über ihren gefüllten Napf. Dann kostet sie,
schmeckt Hammelfleisch, Pastinaken, Rüben, Bohnen und Erbsen, versetzt mit
Knoblauch sowie wohlgewürzt mit Pfeffer, einem Hauch Ingwer und Galgant, worauf
sie gierig den Inhalt des Napfes verschlingt. Es schmeckt besser als alles, was
sie jemals an Köstlichem zu sich genommen hat. Anschließend hält sie sich den
ungewohnt vollen Bauch. Eine junge Küchenmagd setzt sich grinsend neben sie.
    „Deinem Hunger nach bist du
einer von Toms Anvertrauten, stimmt’s?“ Auf Joans peinlich berührte Miene hin
lässt sie ein Kichern vernehmen und nimmt die leere Schüssel, um sie erneut am
großen Kessel zu füllen.
    Als sie sie daraufhin vor Joan
abstellt, staunt diese ihre Gönnerin mit großen Augen an und beginnt wieder, zu
pusten. Die Magd neigt sich zu ihr herab, so dass der Blick gezwungenermaßen
auf den großzügigen Ausschnitt ihres Leibhemdes unter dem einfachen Oberkleid
fällt. „So einen Hübschen hat uns der alte Tom allerdings noch nie
vorbeigeschickt“, haucht ihr die junge Frau ins Ohr, was Joan bestürzt
innehalten lässt. Unter Kichern richtet sich die Magd wieder auf. Mit einem
Zwinkern greift sie Joan dabei zu deren Entsetzen wie beiläufig ans Gesäß und
entfernt sich daraufhin vergnügt summend. Joan sendet der tonnengewölbten Decke
einen entnervten Blick empor, um sich dann wieder dem duftenden Inhalt ihrer
Schüssel zu widmen. Sie leert diese zum zweiten Male. Das Schmalzbrot hingegen
versteckt sie für Malcom unter ihrer Tunika. Schwerfällig erhebt sie sich und
geht noch einmal zu Bess hinüber.
    Diese blickt auf und lächelt.
    „Vielen Dank. Es war köstlich!“
    „Schon gut. Komm von mir aus
morgen wieder vorbei. ... Und bestell Tom meinen Gruß. Er darf sich geehrt
fühlen, meinen verflohten Strohsack mit mir zu teilen“, erklärt sie schelmisch,
so dass Joan einen roten Kopf bekommt. Schnell dreht sie sich herum, hört Bess
in ihrem Rücken jedoch noch herzlich lachen, und bahnt sich durch das Gedränge
des Küchengesindes einen Weg nach draußen. Nicht im Traum hätte sie gedacht,
dass ältere Menschen ebenfalls noch Lust miteinander haben könnten.
Insbesondere nicht so alte wie Tom! Sie verlässt den Wohnturm. Versonnen schlendert
sie über den Hof zum Waffenturm hinüber und will soeben die Tür zur Wachstube
öffnen, als diese auffliegt und ihr Mac Gennon entgegentritt. Gedankenversunken
reibt sich dieser über die blutigen Knöchel seiner geballten Rechten und prallt
beinahe mit Joan zusammen.
    „Pass gefälligst auf“, herrscht
er sie an und versetzt ihr

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