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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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beobachtet, wie er die Hände in den Wassereimer
taucht und sich das Gesicht wäscht. Dann wendet er sich dem Schmalzbrot zu, von
dem er genüsslich abbeisst. Es ist weich und frisch. Als er schluckt, legt er
mit schmerzverzogenem Gesicht eine Hand über den Magen. Doch scheint sein
Hunger noch unangenehmer zu sein, da er wieder einen Bissen nimmt. Einen
kleineren allerdings.
    „Warst du bei Brix?“
    Sie nickt, während sie die
Verbände einsammelt. Im Grunde wollte sie ihn nicht noch mit Brix belasten. Doch
wozu ihm etwas vormachen. „Mac Gennon versteht sich in der Tat gut aufs
Prügeln“, bedeutet sie ihm, indes sie zum Eimer geht und beginnt, die Verbände
auszuwaschen.
    Malcom hat alarmiert
aufgeblickt und im Kauen innegehalten. Seine Miene ist in besorgter Erwartung
erstarrt.
    „Es geht ihm soweit gut“,
besänftigt sie ihn. „Der Mistkerl hat ihm mit der Peitsche zugesetzt. Ich
versorgte die Striemen und gab ihm so viel zu fressen, wie selbst er nicht bis
morgen verdrücken kann. In den letzten zwei Tagen hier hat er nichts gefressen.
Er ist paradiesisch untergebracht. Aber er leidet. Wir fehlen ihm, denke ich“,
endet sie und legt die sauberen Verbände zum Trocknen ins Stroh. Später wird
sie sich diese wieder zusammengeknotet eng um die Brust winden.
    Durchatmend würgt Malcom den
Bissen Brot herunter. „Er war seit Jahren nicht mehr ohne mich.“
    Joan nickt. „Ich soll morgen
wieder zu ihm kommen.“
    Er registriert es mit einem
Nicken und beißt erneut ab. „Wie du vorausgesehen hast“, äußert er brummend.
„Zwei Tage. Hätte nicht geglaubt, dass wir schon so lange hier sind.“
    „Ja. Wenn ich nun stets und
ständig hoch beordert werde, leben wir nicht mehr ganz so ahnungslos.“ Sie
kommt wieder neben ihn.
    „Mac Gennon ist die Ungeduld in
Person, Joan. Er wird ihn beherrschen wollen. Du musst dir etwas ausdenken,
damit du ihn glaubwürdig hinhalten kannst.“
    „Brix wird ihn niemals an sich
heranlassen. Früher oder später wird er das erkennen.“
    Er seufzt gedehnt. „Ja. Doch
ich hoffe, dass wir dann nicht mehr hier sind. ... Andernfalls könnte ich für
nichts garantieren. Vermutlich würde ich ihm etwas antun, wenn er mein Pferd
langsam verrecken lässt.“
    Sie legt ihm ermunternd eine
Hand auf die Schulter. „Es wird sich ein Weg finden.“
    Malcom jedoch schüttelt den
Kopf. „Für Brix ist hier das Ende, Joan.“
    „Aber vielleicht kannst du ihn
auch auslösen lassen“, fällt ihr aufgewühlt ein. „Er ist doch wertlos für Mac
Gennon.“
    „Das ist unüblich. Und wenn ich
es ihm vorschlage, wird er bemerken, dass mir viel an Brix liegt. Vermutlich
würde er mich zusehen lassen, wie er ihn absticht. Nur, um mich zu treffen.“
    Joan schweigt nachdenklich. Gut
möglich, dass Mac Gennon tatsächlich zu etwas so Abscheulichem imstande wäre.
Ihr wird beim Gedanken an Brix schwer ums Herz. Es muss einen Ausweg geben! ...
Doch wie wäre sie bereits froh, wenn es diesen für Malcom und sie ganz sicher
gäbe. Sie schiebt ihre Sorge um Brix vorerst weit von sich. Man kann sich nicht
mit allem zugleich beschäftigen.
    Tom schließt das Velies auf und
beäugt Malcom. Er nimmt die Fackel wieder an sich, wobei er brummt, ihnen das
Wasser dazulassen. Unversehens verschluckt sie wieder die Finsternis.
    Joan
tastet nach Malcom. Sie legen sich schweigend ins Stroh. Gemächlich verzehrt er
sein Brot, Joan im Arm. Noch bevor er aufgegessen hat, ist sie eingeschlafen.
    Tom weckt
sie am folgenden Tag. Joan erhebt sich blinzelnd und geht durch die Tür. Als
der Alte grinsend den Schlüssel im Schloss herumdreht, stellt sie den Kopf in
dunkler Vorahnung schräg.
    „Sag der guten alten Bess, dass
ich mich überall scharren muss, wo mich die Flöhe ihres Strohsackes bissen.
Eine Stelle juckt ganz besonders, ob sie da nicht mal reiben könne.“ Er lacht
vergnügt über seinen Einfall.
    Joan hingegen reißt bestürzt
die Augen auf. Welch eine Zumutung, das anhören und obendrein noch ausrichten
zu müssen! Offensichtlich haben sie sie zum Boten auserkoren, werden sie noch
des Öfteren mit ihren unsittlichen Liebesbotschaften betrauen. Ohnmächtig
seufzend wendet sie sich von ihm ab und der Treppe zu, über die sie in die vom
Bulligen besetzte Wachstube und dann nach draußen gelangt. Dort stellt sie am
Sonnenstand überrascht fest, dass es bereits Mittag ist. Hühner scheuchend eilt
sie über den Hof zu Brix’ Stall. In der Nähe ist der Hufschmied soeben dabei,
einem müde dreinblickenden

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