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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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der
frischen Luft. Derweil blickt sie sich um. Die Tür, durch welche sie soeben
kam, liegt in einem der beiden großen Wehrtürme, die sich in der Ringmauer, der
inneren Wehrmauer, befinden. Rechts davon steht der trutzige, dreistöckige
Wohnturm. Neben diesem schmiegt sich ein niedriges Wachhaus an die Ringmauer,
das die gesamte Wachmannschaft beherbergt, wie ihr noch in Erinnerung ist.
Direkt davor liegt in einem wuchtigen Torturm das innere Burgtor mit einer
eingeschalteten Torkammer, vor der sich ein Wachmann in Kettenhemd und Helm
aufgebaut hat. Joan wendet sich nach links und ihr Blick fällt auf Wirtschafts-
und Vorratshäuser, eine Kapelle, auf das Gesindehaus und die Stallungen. Die
Gebäude liegen an der Ringmauer, welche hier den zweiten Wehrturm aufweist und
im weiteren Verlauf wieder an das innere Burgtor zurückführt.
    Seit Joan hier das letzte Mal
verweilte, hat sich am Äußeren der alten Festung nichts verändert. Die Zeit ist
spurlos an den ehernen Mauern vorbeigezogen. Anders, als bei Joan, die damals
noch mit ihrer Familie in einer behaglichen Kemenate des Wohnturmes nächtigte
...
    Bekümmert seufzend erblickt sie
einen jungen Stallburschen, der einen Rappen über den Hof führt und die
Stallungen ansteuert. Joan folgt ihm einfach hinterher. Als er die breite Tür
eines länglichen Gebäudes aus Fachwerk öffnet und das Tier hineinführt, hat sie
bereits zu ihm aufgeschlossen und steht direkt hinter ihm. Geschäftig wendet er
sich um, da er die Stalltür schließen will und schreckt vor ihr zurück. „Verdammt“,
entfährt es ihm, bevor er sie verdutzt mustert. „Bist du der englische
Hundsfott, der diesen Teufelsgaul bändigen soll?“
    Joan zuckt gleichmütig die
Schultern und nickt.
    „Bist du stumm?“ Er wirkt
verärgert.
    „Nein. ... Wo ist das
Schlachtross?“
    Er grinst. „Ganz sicher, dass
du der Richtige bist?“
    Sie nickt und fügt schnell ein
„Ja“ hinzu.
    „Das darf ich mir nicht
entgehen lassen“, murmelt er in seinen flaumigen Bart und winkt sie herein.
„Schließ die Tür und warte kurz.“ Daraufhin führt er den Rappen zu einer Reihe
anderer Pferde, die durch einfache Bretterwände voneinander getrennt sind. Er
dirigiert ihn in einen leeren Verschlag, gibt einen Arm voll Heu in die Raufe
und legt hinter dem Tier eine Holzstange vor. In seinem Äußeren erinnert er sie
ein wenig an Nigel. Doch ist er von schmalerer Statur und mag nur etwas älter
als Joan selbst sein. Das rötliche Haar ist kurz geschnitten. Er blickt sie aus
fröhlichen, blauen Augen an.
    „Komm schon“, drängt er sie,
zwängt sich an ihr vorbei und öffnet wieder die Tür. Sie treten vor das
Stallhaus. Während er einen großen Stein gegen die Tür wälzt, damit diese offen
bleibt, blickt der Bursche zum Wohnturm hinüber. Von dort kommt ihnen ein
hochgewachsener Mann in pelzbesetztem Umhang und hellblauen, engen Beinlingen aus
feinem Tuch entgegen. Sein offengetragenes, rotblondes Haar weht ihm in einer
leichten Brise um das markante Gesicht. Er könnte in Malcoms Alter sein, ist
jedoch schmaler gebaut sowie mindestens einen halben Kopf kleiner als er. Seine
Bewegungen sind ein wenig fahrig, der Blick seiner hellblauen Augen kalt und
rastlos. Joan beunruhigt seine bloße Anwesenheit. Als er bis auf ein paar
Schritte heran ist, grüßt ihn der Stallbursche ehrfurchtsvoll. Sie hält ihn für
seinen Herrn und nickt ihm zu. Auf sein eindringliches Mustern hin senkt sie
den Blick. Er wechselt ein paar Worte in dieser eigenartigen Mundart mit seinem
Stallburschen. Alsdann begreift sie, dass SIE Inhalt ihrer Unterredung ist, was
sie wieder in die kalten, auf sie gerichteten Augen des Edelmannes blicken
lässt. Er macht mit der Hand eine einladende Geste in Richtung eines kleinen,
niedrigen Tores in der Ringmauer zwischen den Wirtschaftsgebäuden zu.
    Der Stallbursche setzt sich
dorthin gewandt in Bewegung, wobei er Joan auffordernd am Ärmel ihrer Tunika
zieht. Sie folgt ihm vor dem Burgherrn hinterher. Nachdem sie das Tor
durchschritten und die Ringmauer somit hinter sich gelassen haben, finden sie
sich im Burgzwinger wieder. Jenem schmalen Gebiet zwischen Ring- und
Außenmauer, wo Joan nun Brix erblickt. Man hat sein kurzes Seil verlängert, um
ihn damit an einem Ring in einer der beiden Quermauern festbinden zu können,
die hier Zwinger- und Ringmauer miteinander verbinden, um ein größeres, in sich
geschlossenes Areal zu umfrieden. Mitten darin steht Brix mit hängendem Kopf.
Das spärliche

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