Die rote Farbe des Schnees
niemand mehr so leicht zur Frau haben wollen. Wie schön du auch sein
magst. Du verfielst der Schande, wenn das Balg zur Welt käme.“
„Ich liebe deine kühle
Denkweise, Dorrit! Abgesehen davon kenne ich Wege und Möglichkeiten, es ...“
„Vergiss das“, fällt ihr Dorrit
erneut vehement ins Wort. „Du kämst vom Regen in die Traufe, wenn du es
abtreibst. Es wäre Mord.“ Beim Anblick Joans niedergeschlagener Miene streicht
sie ihr tröstend übers Haar. „Ich meine es doch nur gut mit dir. Höre auf den
Rat deines alten Kindermädchens.“ Sie zuckt die Schultern. „Du hast keine große
Wahl, wenn du nicht wie deine Geschwister im Kloster landen willst. Als
einfache Nonne möchtest du sicher nicht enden. Und Aufstiegsmöglichkeiten
hättest du schwerlich, da du der Kirche keinen Besitz mehr vermachen kannst.“
Joan sinkt bleich auf einen
Schemel am Tisch nieder. „Erwähne meine treulosen Geschwister nicht“, bittet
sie verstimmt. Denn seit dem Tode ihres Vaters ließen diese nichts mehr von
sich hören und sie fühlt sich von ihnen mächtig im Stich gelassen.
Dorrit tut ihren Einwurf mit
einer wegwerfenden Geste ab. „Ich weiß nicht, warum du Jacob so hartnäckig
abweist. Du würdest es bei ihm als Müllersfrau gut haben. Er liebt dich.“
Joan schnieft verbittert. „Ich
weiß, dass es in deinen Augen belanglos ist, aber ICH liebe ihn nun einmal
nicht.“
Dorrit lacht herausfordernd
auf. „Diese Sentimentalität hättest du dir nicht einmal als junge Lady leisten
können.“
„Vater versprach mir, dass ich
einmal aus Liebe heiraten dürfe“, widerspricht sie trotzig.
Dorrit gibt sich darauf
überrascht. „Nun, er hatte wirklich einen Narren an dir gefressen“, murmelt sie
beifällig. „Aber das gehört der Vergangenheit an.“ Sie mustert Joan abwägend.
„Gibt es denn jemanden, den du liebst?“
Joan nestelt verlegen an den
Bändchen des Leinensäckchens mit den Hainbuchensprossen in ihren Händen. Sie
denkt an den schönen Spielmann, für den sie heimlich schwärmt. Doch diese
Träumereien bringen sie nicht weiter und so schüttelt sie matt den Kopf. „Ich
gehe einfach in den Wald und lebe wie Gwen und die anderen wilden Leute“,
bekundet sie resigniert.
Dorrit bläst verächtlich die
Luft zwischen ihren Zähnen hervor. „Womöglich noch wie eine Outlaw, wenn du so
weitermachst.“
Joan lässt niedergeschlagen den
Kopf hängen. „Welch ein verfluchter Tag.“ Dorrits schwermütiges Seufzen lässt
sie verstohlen zu dieser aufblicken.
„Sieh es einmal so: du weißt
nun wenigstens, woran du bei unserem neuen Herrn bist. Das kann nur von Vorteil
sein. Du solltest handeln“, bedrängt sie Joan, die sich daraufhin die Haare
rauft.
„Herrgott, Dorrit! Das
Furchtbare ist, dass ich, um ihm auf Dauer zu entgehen, mich mit jemandem
verbinden muss, den ich sonst nie gewählt hätte. Und dann bin ich gezwungen,
mich dem Earl trotzdem noch hinzugeben“, erklärt sie händefuchtelnd. „Das sind
keine sehr guten Aussichten“, schließt sie und springt außer sich auf. „Ich
werde mein Leben nicht auf diese Weise vergeuden. Es muss doch einen Ausweg
geben!“ Protestierend wirft sie das Leinensäckchen auf den Tisch.
„Zumindest keinen, bei dem du
in Sicherheit ein halbwegs anständiges Leben führen kannst“, wendet Dorrit
scharf ein.
„Kann man das denn? Selbst wenn
ich mich jetzt in mein Schicksal füge, wer versichert mir, dass wir hier morgen
nicht alle von den Schotten überfallen und abgeschlachtet werden? Zum Teufel
mit der angeblichen Sicherheit!“
Ihr darauffolgendes Schweigen
wird nur vom dumpfen Muhen der Milchkuh aus dem Stall nebenan unterbrochen.
Dorrit fährt sich durchatmend
übers Gesicht. „Mein Gott, ich hatte immer gehofft, dass es nur ein einfältiger
Aberglaube ist. Doch scheinbar erfüllt sich der Fluch, der auf dir lastet, mein
Kind.“
Joan horcht auf. „Welcher
Fluch?“
Dorrit zieht einen Schemel
unter dem Tisch hervor und setzt sich schwerfällig. „Als du noch ein kleines
Kind warst, belegte dich eine alte Frau mit einem Fluch. Sie arbeitete oben auf
der Festung als Magd und prophezeite, dass du nimmer glücklich mit einem Mann
werden wirst, man dir Gewalt antut, um dich zu nehmen.“
Joan reißt entsetzt die Augen
auf.
„Sie hatte den bösen Blick und
man sagte ihr nach, Hexenhandwerk zu betreiben.“ Auf Joans angsterfüllte Miene hin
hebt Dorrit beschwichtigend die Hände. „Dein Vater jagte sie fort. Man hörte
nie wieder etwas von
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