Die rote Farbe des Schnees
ihr.“ Es ist ihr jedoch nicht möglich, Joans Bestürzung
wesentlich zu lindern. Sichtlich verstört reibt sich diese über die Stirn und
sinkt zurück auf ihren Schemel neben Dorrit, die ihr daraufhin mitfühlend über
den Rücken streicht.
Joan nickt ernüchtert. „Es hat
wohl den Anschein, dass sie Recht behalten soll.“
„Vielleicht kannst du den Fluch
noch abwenden, indem du Jacob heiratest. Zwar wird man dich vermutlich in
deiner ersten Nacht gegen deinen Willen nehmen, doch Jacob wird dir niemals
Gewalt antun.“
Joan schnieft betrübt. „Dafür
werde ich nimmer glücklich mit ihm, ... wie diese Magd voraussagte.“
„Es gibt Schlimmeres, glaube
mir. Überschlafe die Sache“, rät Dorrit, wobei sie ihr tröstend die Schulter
drückt.
Joan nickt abwesend.
Überschlafen muss sie diesen neuen Gedanken nicht mehr. Denn im Grunde weiß
sie, dass sie keine andere Wahl hat. So einfältig, wie sie wohl in Dorrits
Augen noch zu sein scheint, ist sie längst nicht mehr. Die nüchterne Welt, in
der sie nun lebt, lässt ihr keinen Raum mehr für versponnene Freiheiten. Doch
sträubt sich noch alles in ihr, einen endgültigen Entschluss zu fassen.
Dorrit räuspert sich. „Eins
noch. Du kannst dich glücklich schätzen, dass Jacob dir als einer armen
Besitzlosen einen Antrag gemacht hat. Genau genommen ist er ebenfalls ein
sentimentaler Dummkopf. Nur, dass er sich diese kleine Schwäche leisten kann.“
Der Traum von
Liebe
Joan wringt
das Wasser aus der Wäsche und schlägt diese gegen den großen, blankgescheuerten
Waschstein, um sie wieder etwas aufzulockern. Sie richtet sich auf und biegt
das Kreuz durch. Dabei gleitet ihr Blick hinüber zu den umzäunten,
strohgedeckten Bauernhäusern mit ihren Scheunen und den anschließenden
Gemüsegärten. Die rechteckigen Behausungen sind beschaulich um die kleine
Holzkirche mit dem Friedhof gruppiert.
Joan legt sich die nassen
Kleidungsstücke über den Arm und wendet sich vom Fluss ab, um zurück zum Haus
zu gehen.
„Joan!“
Sie schaut zur Seite und
erblickt eine hübsche junge Frau in etwa ihrem Alter auf sich zueilen. In einem
Weidenkorb hat diese verschmutzte Wäsche bei sich und kommt nun atemlos bei
Joan an.
„Danke für deine Hilfe“, bringt
sie keuchend heraus, wobei sie eine Hand gegen den Ausschnitt ihres derben,
braunen Obergewandes legt.
„Alice! Deiner Schwester geht
es besser?“
Gefragte nickt. „Ja. Endlich,
nach diesen bangen Wochen. Marias Blutungen haben nun ganz und gar aufgehört.
Wir sind alle guter Hoffnung, dass es diesmal nicht erneut fehlschlägt.“ Sie
grinst. „Und alles nur aufgrund deiner Hainbuchensprossen!“
Joan drückt ihr lächelnd den
Arm. „Welch erfreuliche Nachricht.“ Sie betrachtet Alice aufmerksam. Auf deren
fragende Miene hin wiegt sie den Kopf. „Nun ja, du siehst irgendwie glücklicher
aus, als sonst.“
Alice errötet leicht, hält sich
jedoch gleich darauf kichernd eine Hand gegen den Mund. Verstohlen blickt sie
sich um. Als weit und breit niemand zu sehen ist, räuspert sie sich
bedeutungsvoll. „Ich wollte es dir im Grunde schon viel früher erzählen“,
bemerkt sie mit gedämpfter Stimme und sieht Joan daraufhin abschätzend an. „Du
musst schwören, es keiner Menschenseele anzuvertrauen!“
Joan hebt verwundert die
Brauen. Neugierig betrachtet sie ihre Freundin. „Ich schwöre.“
Alice räuspert sich erneut.
„Ich treffe mich des öfteren mit jemandem von des Earls Gefolgsleuten“,
offenbart sie ihr, woraufhin Joan sie ungläubig anstarrt.
„Und wenn du schwanger wirst?“
Alice schüttelt den Kopf. „So
weit geht es nun auch wieder nicht“, lacht sie verhalten. „Er macht mir den
Hof.“
„Du meinst, er könnte dir einen
Antrag machen?“
Alice zuckt die Schultern. „Ich
hoffe es. ... Ich habe mich in ihn verliebt.“
Joan betrachtet sie
nachdenklich. „Das freut mich für dich. Doch sei bitte auf der Hut. Denn wenn
nur etwas von der Art des Earls auf ihn abgefärbt hat, bist du gut beraten, ihm
nicht über den Weg zu trauen.“ Auf Alices verständnislose Miene hin atmet sie
seufzend durch. „Ich hatte vor nicht allzu langer Zeit das fragliche Vergnügen,
mit dem Earl Bekanntschaft zu machen. ... Man sollte ihm wahrlich nicht allein
begegnen, sei versichert!“
Alice winkt lachend ab. „Bruce ist
eher wie ein tapsiger, gutmütiger Bär. Der könnte mir nichts anhaben.“
Joan nickt in Gedanken. „Ich
hoffe, du irrst dich nicht.“
Alice schüttelt schweigend den
Kopf
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