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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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Wachmänner lauthals verfolgt.
    Joan
wendet und treibt ihren Gaul an, wie sie nur kann.
    „Warum hast du das getan“, fragt Joan kläglich schniefend.
Ihr stehen Tränen in den Augen. „Was gefällt dir daran, Malcom in ihre Klauen
zu treiben und mich entkommen zu lassen? Sie werden ihn vermutlich umbringen!“
Joan blickt wütend zum Mond empor, während ihr das zuletzt ausgesprochene Wort
schauerlich in den Ohren hallt. Dann lässt sie den Kopf hängen. „Du hättest mir
auch gleich das Herz herausreißen können. ... Du stellst meinen Glauben auf
eine harte Probe. ... Oder bist du wirklich so blutrünstig?“ Trotzig schaut sie
wieder zum Mond auf. „Ich entsage dir! Hast du gehört!“
    Die Zeit
verrinnt.
    Joan lenkt ihren Klepper in die
Nähe eines Moores, das südlich der Festung liegt.
    Im
Halbdunkel der allmählich zugunsten der Nacht weichenden Abenddämmerung sitzt
sie schließlich ab. Der Mond liegt still in einem seichten Wasserlauf nahe des
Moores. Sie tränkt die Pferde, streicht Brix über die Flanke und betrachtet die
blutigen Striemen. Sie scheinen ihn nicht weiter zu stören, selbst wenn man
darüber fährt. So wendet sie sich ihrem Gaul zu. Dessen Eisen weisen etliche
kurze Sporne auf, mit denen er Halt auf dem Pflaster fand. Es ist ein
erfahrenes Tier. Doch nicht so alt, wie es ihr auf den ersten Blick erschien,
was ihr seine noch nicht besonders abgenutzten, vollständigen Zähne verraten.
Das Hohlkreuz bezeugt, dass es zu früh Reiter in schwerer Rüstung trug.
Vermutlich ist es ein gutes Schlachtross. Sie wendet sich um und kann Northmoor
Castle nicht weit entfernt auf einem Hügel thronend im Mondlicht erkennen. Es
wirft triumphierend seinen langen Schatten auf sie zu, gerade so, als wollte es
auch sie noch verschlingen. Sie setzt sich mit hängendem Kopf ins Gras.
Vielleicht suchen sie bereits nach ihr. Doch alles ist ruhig. Joan fröstelt.
Die warmen Tage des Sommers sind gezählt. Hier im Norden beginnt die kühle Jahreszeit
früher. Die Kälte macht ihren Kopf klarer und lässt sie etwas zu sich kommen.
Durchatmend setzt sie sich ein wenig gerader hin. Sie muss etwas unternehmen.
Wenn sie noch länger zögert, wird es um Malcom geschehen sein. „Denk nach“,
ruft sie gequält, wobei sie sich mit den Ballen ihrer Fäuste gegen die Stirn
schlägt. „Nachdenken!“ Geplagt streicht sie sich mit den Händen übers Gesicht,
um sie dann über dem Mund ruhen zu lassen. Ihre Haltung strafft sich und sie
sitzt mit einem Mal kerzengerade. „Der Gang!“ Ihr kommt nicht in den Sinn, noch
einen Augenblick länger zu zögern.
    Dunkelheit
hat die Abenddämmerung abgelöst. Joan ließ die beiden Pferde hinter einem
Steinwall zurück und hofft, dass sie nicht hervorkommen und womöglich die
Aufmerksamkeit der Wache auf sich ziehen. Zwar besitzen hier die Wehrmauern
keine Wehrgänge, doch sind da noch immer die Wehrtürme der Außenmauer, die
bemannt sein könnten. Sicherheitshalber sucht sie daher hinter einem großen
Stein Deckung und lugt vorsichtig daneben hervor. Die Zwingermauer ist zum
Greifen nahe. Joan blickt noch einmal zum Wehrturm empor, doch dieser liegt
dunkel und still. Sie kommt hinter ihrem Stein hervor und huscht die steile
Böschung hinauf zur Mauer. Atemringend lehnt sie sich mit dem Rücken dagegen,
um kurz zu verschnaufen. Beißender Gestank von Tierkot dringt ihr in die Nase,
worauf sie gewahrt, dass sie mit einem Fuß in einem Dachsabtritt steht.
Angewidert zieht sie den Fuß aus dem Loch und gibt nun Acht, nicht in das
nächste seiner Art zu treten. Irgendwo in der Nähe muss sich der Bau der Tiere
befinden. Beherzt läuft sie an der Mauer entlang, bis sie auf ein ebenerdiges
Loch in ihr stößt, das nach oben hin durch eine halbkreisförmige steinerne
Einfassung begrenzt wird. Sie runzelt die Stirn und flucht leise. In ihrer
Erinnerung war der Ausgang viel größer. Jetzt würde sie sich nicht mehr
hindurchzwängen können. Sie kniet davor nieder und erweitert die Öffnung, indem
sie mit bloßen Händen Steine und Erdreich weg gräbt. Ihr ist klar, dass man den
Gang verschüttet hat und sie wird zuversichtlich, da es offenbar nicht grundlos
geschah. Der Gang DARF einfach nicht blind enden, sonst wird sie Malcom nicht
wiedersehen. Dem strengen Geruch nach scheint es sich um den Dachsbau zu
handeln. Offenbar muss sie den Tieren dankbar sein. Denn wenn sie den Gang
nicht wieder freigelegt hätten, wäre er ihr verborgen geblieben.
    Schließlich passt sie durch die
Öffnung,

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