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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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macht eine Linksbiegung.
Sie schmiegt sich an die Ecke und lugt vorsichtig um diese herum. Daraufhin
weiß sie, wo sie sich befindet. Etwa einen Steinwurf von ihr entfernt steht Tom
mit einer mächtigen Kopfbandage am Fuße der Treppe zum Waffenturm und plaudert
angeregt mit einem Waffenknecht. Die beiden schlendern zur Nische und nehmen
dort am Tisch Platz. Etwas besseres hätten sie sich Joans Meinung nach nicht
einfallen lassen können. Auf leisen Sohlen nähert sie sich ihnen, verhält noch
kurz vor der Nische, um sich zu sammeln und schnellt herum. Die beiden Männer
sitzen sich am Tisch gegenüber und blicken erschrocken zu ihr auf. Sie zögert
keinen Augenblick und sticht dem Waffenknecht das Schwert ins Herz. Tom starrt
sie an und hebt abwehrend die Hände. Als sie den Schwertknauf gegen seinen Kopf
richtet, stöhnt er gequält auf. Sie wirft ihm noch einen bedauernden Blick zu,
bevor sie ihm wieder eins über den Schädel zieht. Er sackt wie sein Kumpan
vornüber auf dem Tisch zusammen.
    Eilig steckt sie das Schwert
zurück in die Scheide und nimmt Tom den Schlüsselbund ab. Damit geht sie zu
ihrem alten Verlies hinüber und schließt die Tür auf. „Malcom?“
    Hastig nimmt sie eine Fackel
von der Wand des Ganges und leuchtet damit ins Verlies. Zu ihrer Bestürzung
findet sie es leer vor. Wie bereut sie nun, Tom nicht noch gefragt zu haben,
wohin sie Malcom brachten. Unverzüglich macht sie sich ans Werk und schließt
weitere Kerkertüren auf. Dabei muss sie erst umständlich den jeweils richtigen
Schlüssel durch Ausprobieren herausfinden. Wertvolle Zeit geht verloren. Die
nächsten drei Verliese sind unbesetzt. Im Vierten schlägt ihr ein
fürchterlicher Gestank nach Ausscheidungen entgegen. Das Licht der Fackel fällt
auf einen alten Mann, der im eigenen Dreck liegt. Er öffnet blinzelnd die
Augen. Joan wendet sich beklommen schnell wieder von ihm ab. Eilig schließt sie
die Tür, begibt sich schon in Richtung des fünften Verlieses, als sie stutzt.
Ihre Schritte werden langsamer, bis sie diese plötzlich abrupt verhält.
Bedächtig wendet sie sich wieder um und starrt wie gebannt zurück auf die
vierte Tür. Ihre Augen weiten sich. Umgehend hastet sie zurück, öffnet das
Verlies mit zitternden Händen und tritt zögernd ein. Klopfenden Herzens
beleuchtet sie wieder die jämmerliche Gestalt zu ihren Füßen. Kopfhaar und Bart
sind lang und schlohweiß, zumindest an den wenigen Stellen, wo ihm nicht der
eigene Kot klebt. Er schlägt wieder die Augen auf und schirmt sie matt mit
einer ausgemergelten Hand gegen das blendende Licht der Fackel ab. Doch Joan
hat diese Augen lange genug gesehen. Ihr trübt sich der Blick, als sie sich
neben dem Gefangenen ins Stroh auf die Knie fallen lässt. Behutsam legt sie
seinen Kopf auf ihren Schoß.
    „Johanna?“ Seine Stimme ist
kratzig. Er muss sie lange nicht mehr gebraucht haben.
    Ihr rinnen die Tränen von den
Wangen und fallen auf ihn herab. „Es wird alles gut, Vater“, flüstert sie
sanftmütig, während sie ihm beruhigend übers Gesicht streicht. „Alles wird
gut.“
    Er tastet über ihr Gesicht und
sie nimmt vertraulich seine Hand. Von draußen dringen gedämpfte Schreie an ihr
Ohr, welche ihr das Blut in den Adern gefrieren lassen.
    „Vater, ich muss Malcom
finden“, schnieft sie. „Ich kann ihn hören.“ Sie legt ihn umsichtig zurück ins
Stroh und springt auf. „Ich hoffe, gleich wieder bei dir zu sein. Bete für
mich.“ Damit lässt sie ihn wieder allein in der Dunkelheit zurück. Seine Augen
klammern sich an dem schmalen Lichtschlitz fest, den die nur angelehnte Tür
zulässt.
    Die Schreie sind verstummt.
Joan wischt sich abwartend über die feuchten Augen. Dann vernimmt sie Stimmen,
denen sie sogleich folgt. Sie führen sie zurück um die Ecke des Ganges bis zu
einer niedrigen, robust wirkenden Tür mit trutzigen Eisenbeschlägen. Ein kurzer
Schrei lässt sie zusammenzucken. Er stammt unverkennbar von Malcoms rauer
Stimme. Ihr Herz beginnt zu rasen. Sie zieht das Schwert und steckt
gleichzeitig die Fackel in eine Wandhalterung neben der Tür. Dann öffnet sie
letztere einen Spalt breit. Ihr Blick fällt auf den breiten Rücken von Mac
Gennon. Er steht vor Malcom, der mit erhobenen Armen straff an die Wand
gekettet ist. Der Bullige hält seinen Kopf, während sich Mac Gennon seinem
Gesicht genüsslich mit einer glühenden Eisenstange nähert.
    Joan gleitet lautlos durch die
Tür und setzt mit langen Schritten auf Mac Gennon zu. Unter Keuchen

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