Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
Vom Netzwerk:
ihr stehen geblieben und betrachtet sie
nachdenklich. Weiße Atemwölkchen bilden sich vor ihren Gesichtern, es ist
eiskalt.
    Joan setzt die hölzerne Schippe
nicht ab, blickt ihn nur einmal flüchtig an. Sie weiß, dass er einen Zugang zu
ihr sucht, denn schließlich ist es ganz offensichtlich, was sie hier treibt.
    „Ich kann seine rote Farbe
nicht länger ertragen“, erklärt sie kurz angebunden und schippt weiter rastlos
Schnee zur Seite auf einen größeren, rötlich gefärbten Haufen. Sie schwitzt am
ganzen Körper, doch die Arbeit tut ihr gut. Plötzlich stellt er sich ihr in den
Weg, hält die Schippe am Stiel gewaltsam fest.
    „Lass dir von mir helfen,
Joan“, raunt er mit ruhiger Stimme. Sein Blick ist beinahe sanft.
    „Nein“, ruft sie bestimmt. „ICH
will es tun. Hol dir eine eigene Schippe!“
    „Joan.“ Er betrachtet sie
eindringlich. „Ich meine nicht das Schneeschippen.“
    Sie ist verwirrt.
    „Es geht dir nicht gut. Wenn du
nichts dagegen unternimmst, wird es deine Seele noch weiter vergiften.“ Er
atmet durch, wie, um sich Mut zu machen. „Seit du zusammengebrochen bist,
weichst du mir ständig aus.“
    „Kein schönes Gefühl, was?“
    Er lässt sich nicht von ihr
hochbringen. „Merkst du nicht, wie unstet du geworden bist? Du versuchst, dich
mit aller Macht abzulenken.“
    „Nein, lass mich Malcom, ...
bitte.“ Verzweifelt zerrt sie an der Schippe, bis er sie ihr mit einem
mächtigen Ruck einfach entreißt und achtlos in hohem Bogen wegschleudert.
    Als sie hinterherstürzen will,
hält er sie einfach fest. Fuchtig schlägt sie um sich. Er zieht sie an sich und
nimmt sie in die Arme, dass sie sich kaum noch rühren kann. Wutentbrannt beisst
sie ihm so stark sie vermag in die Hand, bis sie Blut schmeckt. Doch er hält
sie unbeirrt fest.
    „Joan“, ächzt er. „Beruhige
dich doch.“ Er hebt sie an, um sie zum nahen Felsen herüber zu tragen. Dort
lehnt er sich an, während er sie wieder auf die Füße stellt, sie jedoch
weiterhin fest umklammert hält. Zwar lässt sie endlich ab von seiner Hand, ist
jedoch weit davon entfernt, sich zu beruhigen. Schwer atmend kämpft sie gegen
seine unerbittliche Umarmung an.
    „Hör mir zu!“ Er ringt keuchend
mit ihr. „Ich habe so etwas schon bei den hartgesottensten Kerlen erlebt. ...
Du musst dich erinnern und es mir erzählen!“
    „Nein! Lass mich in Ruhe,
Malcom.“ Zu ihrer eigenen Bestürzung beginnt sie zu schluchzen. „Lass mich. ...
Ich kann nicht“, wimmert sie kläglich, verharrt kurz in ihren Bewegungen, um
sich zu sammeln und sich gleich darauf wieder aufzubäumen. „Ich will nicht!“
    „Das ist mir völlig gleich. Ich
kann ewig so weitermachen. Du wirst dich schon erinnern müssen, wenn du hier
weg willst. ... Was ist dir Schlimmes zugestossen, dass du es so meisterhaft in
die größte Tiefe deiner Seele verbannt hast?“
    „Nein“, kreischt sie entsetzt.
„Ich hasse dich!“
    Doch er lacht nur rau. „Nur zu,
gib’s mir. Ich hab’s vermutlich nicht anders verdient. ... Und? Ist es dir
endlich wieder eingefallen?“
    Verzweifelt kämpft sie
allmählich aufsteigende, dunkle Bilder nieder. - Große Männerhände. - „Nein!“
Ihr wird übel. Sie ist ganz darauf bedacht, die Bilder wieder herunter zu
ringen, sie zu vergessen ... und es gelingt. Die Übelkeit verschwindet
zusehends. Schlapp findet sie sich in Malcoms Armen wieder. Sie ist völlig
ruhig. „Ich WILL nicht!“
    Resigniert lehnt Malcom den
Kopf gegen den ihren. „Verdammt, Joan.“
    „Lass mich sofort runter“,
zischt sie.
    Niedergeschlagen
kommt er ihrer Bitte nach. Sie wirbelt zu ihm herum, blitzt ihn wortlos an, um
gleich darauf zu den Stallungen zu stapfen. „Heda!“ Ihr Hund kommt laut
kläffend aus der Scheune auf sie zu geeilt. Sie nimmt ihn hoch und begibt sich
zum Wohnturm, ohne Malcom noch eines Blickes zu würdigen. Dieser lehnt starr
gegen den Felsen, sie mit tiefer Kümmernis beobachtend.
    Joan scheut
Malcom neuerdings wie der Teufel das Weihwasser. Was er vor ein paar Tagen mit
ihr im Burghof tat, hat ihr unsägliche Angst bereitet. Seitdem geht sie ihm aus
Furcht, er könne es wiederholen, hartnäckig aus dem Wege. Sie weiß nun, dass
tief im Innersten ihrer Seele etwas darauf lauert, herausgelassen zu werden.
Wie nichts in der Welt fürchtet sie, dass es ihr außer Kontrolle gerät, es
entfesselt ihr Leben zur Hölle macht. Sie verdrängt jeden Gedanken daran. Alles
soll einfach beim Alten bleiben, so, wie ihr ganzes bisheriges Leben

Weitere Kostenlose Bücher