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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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nachsagen. Awin war
zwar unbestreitbar die schönste arabische Prinzessin, die ich je sah, und ich
sah einige, doch war sie gleichfalls die Gemahlin meines Dienstherrn.“
    „Du warst doch noch viel zu
jung. Gerade mal Knappe“, wirft Joan ein, was ihn jedoch zu einem Kichern
verleitet.
    „Dafür war ich noch nie zu
jung“, gesteht er zu ihrem zurechtweisenden Blick. „Doch nie im Leben hätte ich
mir die Finger an ihr verbrannt und riskiert, von Timothy, ihrem verliebten
Gatten, das Messer zur Selbstentmannung in die Hand gedrückt zu bekommen“,
stellt er klar, bückt sich und schiebt einen starken Stock durch die
gefesselten Beine des Ebers.
    Joan und Amál indes tauschen
einen vielsagenden Blick. Amál verzieht plötzlich wie vor Schmerzen das
Gesicht, so dass Joan kopfschüttelnd mit den Augen rollt.
    Er räuspert sich. „Robert hat
das wohl nicht so schwarz gesehen, wie du.“
    Raymond nickt versonnen und
richtet sich auf. „Der gute alte Farwick hat nie ganz gewusst, wann das Maß
voll ist. Doch man muss ihm zu Gute halten, dass er wenigstens nicht mehr als
Ritter im Dienste deines Vaters stand und selbst noch kein Eheweib hatte, als
er Awin verführte.“
    „Ja, zumindest, BEVOR er wieder
rückfällig wurde“, wirft Amál spitz ein, woraufhin die beiden lauthals lachen.
    Raymond klopft sich mit der
flachen Hand auf den Bauch. „Oh, wenn deine Mutter von diesem Gespräch wüsste,
wären alle Racheengel aufgerufen.“
    Amál pflichtet ihm nickend bei.
„Ich vermochte sie darüber noch nie zu verurteilen.“
    „Das wäre auch nicht recht. Sie
hatte Roberts charmantem Drängen nicht das Mindeste entgegenzusetzen. Und jede
junge Lady fühlt sich einmal einsam, wenn der geliebte Gemahl monatelang auf
Kriegszug ist.“
    „Kommt“, unterbricht Joan
ungeduldig ihr zweifellos lasterhaftes Gespräch. „Lasst uns sehen, was die
anderen erlegen konnten.“
    Umgehend befestigen sie die
Enden des Stockes, an welchem der Eber baumelt, an Raymonds und Amáls Sätteln,
so dass ihre Beute zwischen deren Pferden hängt, und sitzen auf, um ihrer alten
Spur zurück durch den verschneiten Wald zu folgen. Es währt nicht lange, und
sie gelangen zu der Stelle, an welcher sie sich vor kurzem von den anderen
trennten, um die zerstreut fliehende Wildschweinrotte besser verfolgen zu
können. Überall sind deren tiefe Abdrücke zu erkennen. Sie hatten wahrlich
Glück, derart viele Tiere aufgestöbert zu haben. Aufmerksam die Umgebung im
Auge behaltend folgen sie den Spuren von Malcoms Männern. Sie müssen auf der
Hut sein. Es können noch immer vereinzelte Tiere in der Nähe umherstreifen, die
von der Rotte getrennt wurden.
    „Joan, du hast noch nichts
erlegt“, stellt Amál fest.
    Sie reitet daraufhin an ihm
vorbei in Führung, nimmt ihre Armbrust hervor, spannt diese ächzend vom Sattel
aus mit Hilfe ihres rechten Fußes, den sie vorn in den Bügel an der Waffe
stemmt und legt einen Bolzen aus ihrem Köcher ein. Dann beobachtet sie wieder
die nähere Umgebung. Die Sonne scheint stellenweise durch die Bäume hindurch
und verwandelt die Schneedecke in einen Flickenteppich aus schimmernd hellem
Weiß und dunklem Grau.
    Stimmen und das Gebell der
Jagdhunde dringen ihnen plötzlich von weiter vorn entgegen. Zwischen den Bäumen
hindurch entdeckt Joan den Umriss eines Reiters, der ihnen etwas zuzurufen
scheint. Sie kann ihn nicht erkennen, da sie gerade von der Sonne geblendet
wird, deren Strahlen durch die nackten Baumkronen schräg auf sie einfallen. Er
ruft erneut, doch sie versteht seine im unbelaubten Wald stark wiederhallenden
Worte nicht.
    „Joan!“ Die Stimme ihres Vaters
klingt mehr als beunruhigt. Sie wendet sich nach ihm um, ohne ihr Pferd zu
zügeln.
    „Nein! VOR dir“, ruft Amál
entsetzt und sie dreht sich eilig wieder herum, versucht vergebens, mit der
Hand die Sonne abzuschirmen. Als sie endlich aus den blendenden Sonnenstrahlen
heraus ist, reißt sie ungläubig die Augen auf. Denn sie gewahrt einen riesigen
Keiler wenig vor sich, der gereizt auf sie zurast. Stiebend pflügt er durch den
Schnee. Joan nimmt hastig die Armbrust in Position. Doch für den üblichen
Blattschuss müsste sie das Tier von der Seite treffen. Ihr Pferd schnaubt
beunruhigt. Joan schießt ihren Pfeil ab, kurz bevor das verängstigte Tier mit
ihr hochgeht. Sie war nicht darauf gefasst und wirft die Armbrust von sich, um
mit beiden Händen Halt zu finden. Doch es ist zu spät. Sie gleitet aus dem
Sattel. Ein Hinterhuf ihres bockenden

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