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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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neben Malcom
auf die Knie sinkt.
    Er überhört ihre Worte, furcht
hingegen zornig mit einem Fuß durch den Schnee. „Warum lügst du?“
    Sie ist nicht in der Lage, ihm
zu antworten. In seiner Rage würde er sie ohnehin nicht zu Wort kommen lassen.
    „Hast du die Absicht, mir ein
schlechtes Gewissen zu machen? Ist das die Art, auf die du mich an dich binden
willst? ... Oder denkst du wirklich, dass mir diese verdammte Jungfräulichkeit
so viel bedeutet?“
    Er kommt ganz nah. „Deine Liebe
hätte mir alles bedeutet. Doch wie könnte ich sie dir jetzt noch glauben?“
Mutlos lässt er die Hände sinken. „Ich verstehe dich nicht mehr, Joan. Ich weiß
nicht, wie ich dir noch vertrauen soll“, raunt er leise. Allmählich besinnt er
sich. Ihr kläglicher Anblick lässt ihn stutzig werden.
    Joan ist dazu übergegangen,
sich am Boden kauernd sanft vor und zurück zu wiegen. Sie zittert am ganzen
Leib, versucht vergeblich, die Übelkeit hinab zu kämpfen und würgt mit einem
Male. Gerade noch schafft sie es, sich umzudrehen. Auf allen Vieren übergibt
sie sich in den gähnenden Abgrund. Ihr ist, als wenn etwas in ihr versucht
wäre, hochzukommen und sie würgt und würgt daran. Selbst, als sie nichts mehr
im Magen hat, kann sie nicht damit aufhören, will scheinbar alles zu Tage
fördern, was sie je im Leben schluckte. Auch seine schwere Hand auf ihrer
Schulter kann sie nicht beruhigen. Im Gegenteil. Seine Nähe steigert ihre
Übelkeit, worauf sie von ihm abrückt. Sie vernimmt seine besorgte Stimme,
versteht jedoch nicht den Sinn ihrer Worte. Ein beklemmendes Gefühl hat von ihr
gänzlich Besitz ergriffen, von dem sie fürchtet, es könne sich jeden Augenblick
in nackte, unkontrollierbare Angst verwandeln. Verzweifelt versucht sie, die
Beklemmung wieder herunterzuringen. Vor Kälte schlotternd liegt sie auf der
Seite, vernimmt eigenartig schallende Stimmen um sich herum. Allmählich
verlassen sie ihre Kräfte. Dankbar gleitet sie in einen Dämmerzustand ab, der
alles um sie herum gnädig verhüllt. Dann wird es dunkel.

Joans Schweigen
    Nur
allmählich kommt sie wieder zu sich. Sie liegt weich, ihr schmerzt der Hals.
Vom Würgen, wie sie annimmt. Überaus klar kann sie sich an alles erinnern,
verwünscht es jedoch. Vor Kälte bebt sie am ganzen Leib, sogar ihre Zähne
schlagen klappernd aufeinander. Sie spürt jemanden neben sich und hebt
schwerfällig die Lider. Blanches blaugrün blitzendes Gesicht ist direkt über
ihr. Besorgnis spricht aus ihm.
    „Joan. Dem Herrn sei Dank. Ich
wusste mir keinen Rat mehr.“
    Joan will sich in dem fremden
Bett aufrichten, wird jedoch von einem Stapel großzügig über sie gehäufter
Daunendecken daran gehindert. So stützt sie sich auf den angewinkelten
Ellenbogen ab. Erstaunt gewahrt sie neben sich ihren Bruder. Zumindest das, was
noch von dessen Kopf unter den Decken hervorlugt. Kraftlos lässt sie sich
wieder nach hinten fallen und versucht, das Zittern unter Kontrolle zu bringen.
Es gelingt ihr nur allmählich, indem sie sich zur Ruhe zwingt. Nach und nach
kommt sie zu sich. Blanche greift ihr unter den Rücken, um ihr in den Sitz hoch
zu helfen und setzt ihr einen dampfenden Becher an die Lippen. Joan riecht eine
kräftige Fleischbrühe. Begierig beginnt sie, zu trinken, legt dabei die kalten
Hände um das wärmende Gefäß und stöhnt dankbar.
    „Du hast uns einen ordentlichen
Schrecken eingejagt“, bemerkt Blanche befreit.
    Joan versucht es mit einem
Lächeln, fürchtet jedoch, dass es in einer Grimasse endete. „Gott, ich fühle
mich furchtbar“, stöhnt sie.
    „So siehst du auch aus“,
verkündet Blanche mit einer Spur von Übermut, Ausdruck ihrer Erleichterung.
    Joan blickt sie belustigt an.
Sie findet es plötzlich zu komisch. „Du wirkst auch nicht eben wie das blühende
Leben“, erwidert sie angriffslustig mit verhaltenem Lachen. Es lässt ihre
Freundin kichern. Blanche fährt sich mit einer Grimasse durch die kurzen Haare
und Joan ahmt es nach. Schnell werden sie jedoch wieder ernsthaft.
    „Welch ein verfluchter Tag“,
stöhnt Blanche und Joan pflichtet ihr wortlos nickend bei. „Das Gute ist, dass
ich bisher vollkommen von mir selbst abgelenkt wurde.“
    Sie schweigen betreten.
    Joan unterbricht es, indem sie
zu Gabriel hinüber nickt. „Wie geht es ihm?“
    Blanche seufzt. „Zuerst dachten
wir, er sei tot. Doch Atem und Herzschlag gingen lediglich erstaunlich viel
langsamer. Er war so kalt wie Eis. ... Bisher ist er noch nicht aufgewacht,
aber schon

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