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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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spöttisch vor.
    „Du gönnst mir wirklich gar nichts“,
klagt er, überholt sie jedoch gehorsam und geht voraus.
    „Amál?“
    Er blickt flüchtig über die
Schulter.
    „Könntest du dir vorstellen,
mir Unterricht im Fechten zu erteilen“, fragt sie gespannt, was ihn wohl völlig
unvorbereitet trifft. Denn beinahe stolpert er über die eigenen Füße, springt
notgedrungen die letzten Stufen hinunter bis zum ersten Stock und wendet sich
verblüfft nach ihr um.
    „Hab’ ich recht gehört?“
    „Ja. Fechten. Du verstehst dich
weitaus besser darauf, als ich“, erklärt sie, wobei sie zu ihm aufschließt. Sie
setzen ihren Weg nun nebeneinander fort.
    „Deine Technik ist doch völlig
ausreichend für eine Frau. Wie viele von Percys Mannen hast du niedergemacht?“
    „Kneifst du etwa?“ Sie betreten
den Hof.
    „Und ob!“ Er lässt sich nicht
herausfordern. „Du bringst mich in Teufels Küche“, erwidert er auf ihr
verächtliches Schnauben. „Was, wenn ich dich verletze? So etwas passiert bei
Waffenübungen alle Mal.“
    „Was soll dann sein?“
    Er schnappt nach Luft. „Ich
hab’ noch nie eine Frau verletzt!“ Er räuspert sich. „Zumindest nicht
körperlich“, ergänzt er findig.
    „Dann ist doch alles gut“, ruft
sie erheitert und lacht ihn aus. „Wann können wir beginnen?“
    Er hebt abwehrend die Hände.
„Niemals!“
    „Oh Amál. Ich habe sogar
Malcoms Einverständnis“, nörgelt sie, woraufhin er überrascht stehen bleibt und
ihr ungläubig nachblickt.
    Sie wendet sich nach ihm um.
„Also?“ Angesichts seines plötzlich breiten Grinsens wird sie misstrauisch.
    Er schließt wieder zu ihr auf.
„Was bekomme ich von dir dafür?“
    Sie ist überrumpelt. Weiß sie
doch genau, was er von ihr will. Ob seiner Direktheit schnappt sie empört nach
Luft. Ungehalten stemmt sie die Hände in die Seiten. „Ich verzichte darauf,
Malcom von deinem nächtlichen Besuch zu unterrichten“, erwidert sie
nachdrücklich.
    Er legt bestürzt einen Finger
gegen den Mund und blickt sich verstohlen um. „Die Mauern hier haben Ohren,
Joan“, flüstert er eindringlich, was ihr ein belustigtes Grinsen entlockt. Als
er es bemerkt, seufzt er resigniert. „Schon gut. Ich tu’s, weil dir scheinbar so
viel daran gelegen ist“, lenkt er plötzlich wundersamerweise ein, so dass sie
sich ins Fäustchen lacht.
    „Danke“, entgegnet sie
süffisant.
    „Freu dich
nicht zu früh“, brummt er zerknirscht. „Ich werd’s dir gewiss nicht leicht
machen.“
    „Jagt man
bei euch Sarazenen stets auf solch freibeuterische Art und Weise?“ Raymond
blickt verwundert auf den kapitalen Eber herab, in dessen Schulterblatt gleich
zwei Pfeile stecken. Jener von Amál hat dabei seinen eigenen Pfeilschaft längs
gespalten.
    Amál lacht. „Ich sagte doch,
wir hätten lieber die Speere verwenden sollen. Überdies solltest du als alter
Kreuzfahrer besser wissen, wie Sarazenen jagen. Ich jedenfalls war nie selbst
im heiligen Land.“
    Raymond sticht das Tier ab,
damit es ausbluten kann und richtet sich wieder auf. „Was heißt hier alt“,
protestiert er, woraufhin Amál mit unschuldigem Lächeln die Schultern hebt.
    „Was sagst DU dazu, Joan“,
wendet sich Raymond daraufhin an sie.
    Joan hebt eine Braue. „Der Eber
gehört euch beiden“, stellt sie fest.
    Es lässt Raymond auflachen.
„Meine kluge Tochter. Du verstehst es, dich galant aus der Affähre zu ziehen.“
    Sie muss lachen. „Selbst völlig
ergraut bist du weit davon entfernt, alt zu sein. Du bist jetzt eben nicht mehr
weißblond, sondern nur noch weiß.“
    „Braves Kind.“
    Sie tritt neben ihn. „Ich habe
keinen alten Vater“, meint sie vertraulich und entlockt ihm damit ein
befriedigtes Grinsen. Mit einem Ruck zieht sie die Pfeile aus dem Eber und
betrachtet ihren Vater daraufhin lächelnd. Er ist völlig wiederhergestellt, bis
auf sein Haar. Es lässt ihn eigentümlich weise erscheinen. Den jungenhaften
Schalk in seinen schönen Augen konnte ihm niemand nehmen. Gelassen zuckt sie
die Schultern. „Die Kraft deiner Lenden scheint auch wieder die alte zu sein,
bedenkt man Blanches Bauch.“
    Raymond schnalzt belustigt mit
der Zunge. „Welch respektlose Bemerkung. Ich habe dich viel zu freizügig
erzogen!“
    „Wo sie Recht hat“, murmelt
Amál vernehmlich, während er die Läufe des Ebers zusammenschnürt. „Meine Mutter
schwärmt noch heute von dir.“
    „Oh nein“, erwidert Raymond mit
mahnend erhobenem Zeigefinger. „Das lasse ich mir nicht

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