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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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vermutlich
befasst sich auch sonst kaum jemand mit ihr, nach ihrer Befangenheit ebenso dem
Küchengesinde gegenüber zu urteilen. Doch Joan mag sie. Fiona versteht sich
ausgezeichnet auf Kräuter. Sie hatten bis soeben ihren Spaß dabei, alle
Heilpflanzen in der Speisekammer zu inspizieren. Es waren etliche darunter, die
Joan noch nicht kannte.
    „Fiona?“ Joan zupft ihren Ärmel
und hat wieder ihre Aufmerksamkeit. Fionas große grünliche Augen mit den
braunen Punkten darin richten sich aufmerksam auf sie. „Wir sollten im nächsten
Jahr gemeinsam Kräuter sammeln gehen.“ Joan spricht ganz deutlich und langsam,
damit Fiona von ihren Lippen lesen kann. Die etwa Gleichaltrige macht große
Augen und nickt eifrig. Joan ist wirklich froh, eine Gleichgesinnte gefunden zu
haben, mit der sie ihre Kenntnisse austauschen kann. Sie freut sich schon darauf,
mit ihr auf der Suche nach Heilpflanzen durch die Landschaft zu streifen.
Ungestüm drückt sie Fiona plötzlich selig an sich. Dann lächelt sie ihr ins
verlegene Gesicht. „Wenn es deine Zeit erlaubt, komm zu mir und ich zeige dir
meine Kräutersammlung, versprochen?“
    Fiona macht eine freudige
Miene, wobei sie sich eine lose schwarze Strähne aus dem ovalen Gesicht
streicht.
    „Ich muss gehen.“ Joan pfeift
kurz nach Heda, die zusammengekringelt neben ihnen auf dem Boden gelegen hat,
nun den Kopf von den Pfoten hebt und Joan wachsam anblickt.
    „Ich danke dir, Fiona.“
    Diese hebt plötzlich den
Zeigefinger, kramt mit der anderen Hand in ihrer Gürteltasche, um darauf das
kleine Horn eines Rehbockes zum Vorschein zu bringen. „Lord“, bringt sie kehlig
ganz mühevoll heraus.
    „Du bist gar nicht stumm,
lediglich taub“, ruft Joan überrascht aus und Fiona deutet ein Lächeln an. Joan
zieht fragend die Augenbrauen hoch, während sie das Horn entgegen nimmt. Dieses
beinhaltet eine Salbe. „Für seine Wunde?“
    Fiona nickt. Sie weist auf Heda
und dann auf ihre Zunge.
    Joan lacht und nickt zum
Zeichen, dass sie verstanden hat. „Danke. ... Aus den WURZELN der Hundszunge?“
Sie verstopft das Horn wieder mit seinem Holzpfropfen und verstaut die
Heilsalbe in einem kleinen Lederbeutel an ihrem Gürtel, ohne die Augen von
Fiona abzuwenden.
    Diese grinst nickend, bevor sie
zum Abschied kurz die Hand hebt.
    Joan tut es ihr gleich und
wendet sich dann eilig von ihr ab. Heda erhebt sich flugs, um Joan hinterher zu
tänzeln.
    Joan hastet, um nicht wieder
die Letzte an der Tafel zu sein. Als sie die Halle betritt, sind alle schon
beim Abendmahl versammelt. Sie nimmt neben Malcom Platz und stutzt, als sie
zwei neue Gesichter am Quertisch bemerkt. In einem davon erkennt sie Aidan
wieder, Johns etwa zwölfjährigen Sohn, den sie aus Percys Zelt befreit hatte.
Er hat sie bemerkt und nickt ihr zaghaft lächelnd zu. Neben ihm sitzt eine
außerordentlich schöne junge Frau, welche sich angeregt mit Blanche unterhält.
Ihr Haar ist von derselben Farbe wie Aidans und Johns, was Joan auf dessen
Tochter schließen lässt. Die feuerroten Locken reichen ihr seidig glänzend über
die Taille. Sie errötet und schlägt die Augen mit den langen dunklen Wimpern
nieder, als Amál etwas zu ihr sagt.
    „Du wirst besser.“
    Verwirrt wendet sie sich Malcom
neben ihr zu. „Wie?“
    Er greift grinsend zu seinem
Becher. „Du hast es noch vor Raymond hierher geschafft.“
    Joan seufzt und nimmt
stirnrunzelnd ein Stück dunkles Gebäck, welches sich als Pfefferkuchen erweist,
den man sicher zu irgendeiner Suppe essen soll. Daneben entdeckt sie zwei Laibe
Brot in Form eines Lammes und eines Sonnenrades, gesottenen Fisch,
Fischpasteten, Bratäpfel und Porridge. „Wie lange haben wir noch Fastenzeit“,
stöhnt sie schwermütig und legt den Pfefferkuchen wieder beiseite, um sich
etwas Porridge zu nehmen. Fisch kann sie nicht mehr riechen, seit man ihn Woche
um Woche in allen erdenklichen Variationen vorsetzt. Wie sehnt sie sich nach
einem Stück Fleisch. Im Gegensatz zum allgemeinen Brauch nimmt es Malcom ganz
genau und ist strikt gegen Geflügel in der Fastenzeit. Wohl noch eine alte
Gewohnheit aus seiner gestrengen Zeit im Kloster.
    Malcom lacht. „Nicht mehr
lange. In ein paar Tagen ist Weihnacht.“ Er schenkt ihr einen Becher mit
starkem Fastenbier ein.
    Sie ist freudig überrascht. Es
fiel ihr noch nie leicht, sich im Winter zeitlich zu orientieren, wo durch die
frühe Dunkelheit scheinbar alles länger währt, man nur selten nach draußen
kommt und dann doch alles Leben und jeder

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