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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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Rhythmus wie ausgestorben scheinen.
Dennoch hätte sie nie für möglich gehalten, dass die Zeit schon so weit
fortgeschritten ist.
    Malcom bedenkt ihr miserables
Zeitgefühl mit einem nachsichtigen Lächeln, welches sie großzügig übersieht.
Stattdessen wendet sie sich genüsslich ihrem Porridge zu. Er ist noch etwas
warm. Man hat der dicken Hafergrütze getrocknete Weinbeeren, Pflaumen, Datteln
und Feigen sowie Walnüsse beigemengt und alles mit Zimt und Muskat gewürzt.
Allerdings schmeckt es ohne Eigelb und Milch etwas fade, obwohl stattdessen
Mandelmilch verwendet wurde, die sich nicht nur in der Fastenzeit großer
Beliebtheit erfreut.
    „Joan, du gesellst dich wieder
zu uns?“ Raymond setzt sich ihr schräg gegenüber, während er sie hämisch
grinsend betrachtet. Sie wechselt einen schnellen Blick mit Malcom und läuft
rot an. Raymond bedenkt es mit verhaltenem Lachen, so dass sie ihn grimmig
anblitzt. Er hebt daraufhin abwehrend die Hände. „Ich misch’ mich da nicht
ein.“ Isa taucht neben ihm unter dem Tisch hervor, um sich an die Seite ihres
Ziehvaters zu setzen. Er bricht ihr fürsorglich von einem Früchtebrot ab und
reicht ihr das Stück. „Ich sehe, wir haben Besuch“, stellt er mit einem Blick
auf Aidan und dessen schöne Schwester fest.
    „Nicht ganz“, erwidert Malcom,
indes er Heda durchs borstige Fell krault. Diese steht unterm Tisch, hat ihm
den Kopf in den Schoß gelegt und genießt seine Zuwendung mit behaglichem
Knurren. Joan bemerkt, wie groß sie inzwischen geworden ist. „Johns Kinder
leben von heute an mit uns auf der Burg. Sie sind sicherer hier.“
    „Du hast ihm also verziehen“,
stellt Joan fest.
    Er blickt ihr etwas angespannt
ins forschende Gesicht. „Ich nahm ihm noch einmal den Treueid ab.“
    „Ich wusste gar nicht, dass er
überhaupt Kinder hat“, bemerkt Raymond verwundert.
    „Ich bis zum Überfall ebenfalls
nicht“, erwidert Malcom noch immer etwas nachtragend.
    „Und ihre Mutter“, fragt ihn
Joan.
    „Ist schon lange tot. Sie
wuchsen in Newcastle bei der Familie ihres Onkels auf, einem wohlhabenden,
kinderlosen Tuchhändler.“
    „Er ist eingebildet“, knurrt
Isa verächtlich mit vollem Mund und schielt feindselig zu Aidan hinüber.
    Malcom lacht verhalten. „Weil
du ihn nicht so herumkommandieren kannst, wie die anderen?“
    Isa sieht ihn beleidigt an,
schüttelt dann den Kopf und würgt den Bissen herunter. „Nein, weil er schreiben
kann.“
    Raymond blickt sie tadelnd an.
„Vielleicht könntest du etwas von ihm lernen, wenn du nicht damit beschäftigt
wärst, neidisch auf ihn zu sein.“
    Malcom räuspert sich mit
amüsierter Miene. „Das Problem ist, dass er gar nicht weiß, dass es sie gibt.
Er lässt sie links liegen, weil sie noch in die Windeln macht“, feixt er
gnadenlos.
    Isa bedenkt ihn mit tödlichem
Blick, um daraufhin wieder unter den Tisch abzutauchen.
    Sie lachen.
    „Du kannst dich ja auffallend
gut in ihn hineinversetzen“, stellt Joan vergnügt fest. Als Malcom sie nickend
mit einem vielsagenden Blick bedenkt, runzelt sie die Stirn. „Was willst du
damit andeuten?“
    Er schüttelt nur den Kopf und
versteckt sein Grinsen hinter der Hand seines aufgestützten Armes.
    Sie knufft ihm empört die
Schulter, woraufhin er lacht.
    „Ich werde dir jedenfalls nie
vergessen, dass du mich in diesen riesigen Waschzuber gestoßen hast“,
kommentiert sie es gespielt verächtlich.
    „Was? ... Das kannst du
unmöglich noch wissen“, ruft er überrascht, beugt sich plötzlich vor und hält
sich vor Lachen den Bauch.
    „Ich war eben doch nicht mehr
so rotznäsig, wie du vielleicht glaubtest“, beharrt sie ebenfalls lachend.
    „Oh doch. Und frech obendrein.“
Er beruhigt sich etwas.
    Raymond schmunzelt. „Da hat er
ausnahmsweise mal Recht. Und du stelltest seine Geduld bei jeder Gelegenheit
auf eine harte Probe. Du lehrtest ihn tatsächlich, Nachsicht mit dir
vorwitzigem Balg zu üben und hattest beinahe Narrenfreiheit bei ihm.“
    „Beinahe“, betont Malcom mit
Nachdruck und seufzt daraufhin gedehnt. „Wenn ich es recht bedenke, hat sich da
nicht so viel geändert. Kämpfe ich heute doch immer noch darum, dir den nötigen
Respekt abzuringen.“
    „Und ich um eine schonendere
Behandlung“, kontert sie.
    Sie blicken sich sowohl
belustigt als auch eine Spur nachdenklich an. Joan räuspert sich schließlich
und langt nach einem warmen, braungebackenen Bratapfel. Sie begegnet Blanches
wohlweißlichem Lächeln und erkennt plötzlich in

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