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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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los und schiebt diesen daraufhin nach unten. Dann setzt er sich auf
den Stuhl neben ihr. Sie kommt um ihn herum und betrachtet den Verband an
seinem Oberschenkel. Beflissen kniet sie sich neben ihn, löst die Binde und
wickelt diese ab. Er stellt dabei sein Bein leicht auf, damit sie herumfassen
kann. Sie nimmt eine dünne Stoffauflage zur Seite und erblickt eine klaffende
Stichverletzung in seinem Oberschenkelmuskel. Deren Wundränder sind noch etwas
gerötet.
    „Bereitete dir die Wunde
Schwierigkeiten?“
    „Hm, sie eiterte und roch
bereits nach Wundfäulnis. Ich befürchtete schon, sie würde sie ausbrennen
müssen.“
    Joan nickt. „Die Wunde sieht
gut aus und verheilt nun. ... Womit hat sie die Auflage getränkt?“
    Ratlos hebt er die Hände.
„Davon verstehe ich nichts.“
    Sie betrachtet wieder die
Verletzung. „Sie hat ihre Arbeit wirklich gut gemacht. Wie heißt sie?“
    „Fiona.“ Er räuspert sich. „Sie
ist taubstumm. Deswegen lief sie weg und ließ dich im Ungewissen.“
    Joan horcht bestürzt auf. Ihr
wird klar, wie gründlich sie alles missverstanden hatte und sie seufzt
schwermütig. „Malcom, wir sollten es künftig so halten, dass wir uns alles
anvertrauen, was uns auf der Seele brennt. ... Vermutlich hätten wir uns somit
viel Kummer ersparen können.“
    Er stimmt ihr nachdenklich
nickend zu.
    Joan beginnt, ihn wieder zu
verbinden. Jedes Mal, wenn sie ihn dabei berührt, zuckt er unwillkürlich leicht
zusammen, so dass er sich schließlich nervös hochrichtet und unruhig die Luft
ausstößt. Während sie die beiden Enden der Binde miteinander verknotet, muss
sie über ihn lachen. Wie schon früher so oft.
    Er verdreht daraufhin
schulterzuckend die Augen und grinst zurück. Es ist lange her, dass sie so
unbefangen zueinander waren und es tut gut. Sie blicken sich schweigend an.
Joan legt ihm lächelnd eine Hand gegen die Wange.
    Er schmiegt sich dagegen, nimmt
sie in seine Hände, um sie an den Mund zu führen und zu küssen.
    Joan sieht ihm schweigend dabei
zu, richtet sich plötzlich gerade zu ihm hoch und küsst ihn auf den Mund.
    Er erwidert ihren Kuss zuerst
mit zärtlicher Zurückhaltung, dann zusehends verlangender. Sanft nimmt er ihren
Kopf dabei zwischen seine Hände.
    Joan schließt die Augen.
Anfangs kaum merklich, doch dann umso rasanter breitet sich in ihrer Brust ein
beklemmendes Gefühl aus. Es schnürt ihr die Luft ab. Schweißperlen treten ihr
auf die Stirn. Sie ringt nach Atem und drückt sich plötzlich halb erstickt von
ihm ab. Dabei fällt sie nach hinten auf ihre aufgestützten Hände und blickt ihn
entsetzt an.
    Seine Miene jedoch verrät
traurige Ernüchterung.
    Erschrocken darüber, wie
schnell sich seine Voraussage verwirklicht hat und dass sie in seiner Gegenwart
keiner Kontrolle über sich mehr fähig ist, zwingt sie die Angst atemlos dorthin
zurück, woher sie kam. Verzweifelt umfasst sie ihre Knie und legt den Kopf
darauf ab. Unbewusst wiegt sie sich leicht vor und zurück.
    „Joan.“
    Sie bemerkt ihn neben sich,
doch er rührt sie nicht mehr an.
    „Du BIST soweit. ... Tu es für
uns.“
    Sie schluchzt und versucht,
seine Worte in sich aufzunehmen, sie mit sich in Einklang zu bringen. Plötzlich
weiß sie, dass sie ihn verlieren wird, wenn sie es noch länger hinauszögert.
    Ohne aufzusehen, streckt sie
ihm die Hände entgegen. „Hilf mir.“
    Er atmet durch. „Aber du musst
es GANZ durchstehen. Ich werde keine Rücksicht auf dich nehmen.“
    Sie nickt und spürt, wie er sie
daraufhin mit sicheren Bewegungen auf seinen Schoß zieht. Er nimmt sie in die
Arme, drückt sie an sich und küsst ihre Stirn. Zuverlässig ergreift die
Beklemmung erneut von ihr Besitz. Sie versucht, sich fallen zu lassen und ihr
den Weg frei zu machen ... und es trifft sie wie ein Paukenschlag.
    Die Bilder stürzen auf sie in
atemberaubender Schnelle ein. Sie sind von sonderbarer Klarheit. Seine große
Hand legt sich über ihren Mund und drückt ihren Kopf in den kalten Schnee. Er
tut ihr weh, bewegt sich in ihr, während sie versucht, zu schreien. Sie beißt
ihn und er schlägt zu. Immer wieder. Sie hat unsagbare Angst. Der unschuldig
weiße Schnee um sie herum verfärbt sich blutrot. Sie schreit und schreit und
will ihn von sich abwerfen. Doch er ist viel zu schwer. Vor Schmerzen und
Entsetzen ist sie wie gelähmt, ist ihm völlig ausgeliefert. Sein Lachen hallt
ihr in den Ohren. Er stößt sie keuchend, sie ruckt halb tot unter seinen
Bewegungen auf und ab. Sie vernimmt nur

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