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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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Atemwölkchen bilden sich in der Luft
vor ihrem Gesicht. Die Wände sind mit Reif überzogen, der im Fackelschein
glitzert. Der Kerkermeister tritt gerade aus einem der Verliese und ist
sichtbar überrascht über ihren Besuch.
    „Führ uns zum Spielmann“,
fordert Malcom ihn auf.
    Der Mann nickt und geht ihnen
voraus. Sie kommen an einem Kohlebecken vorüber, an dem sich Joan flüchtig die
Hände über der Glut wärmt, während der Wärter die Tür zu einem Verlies
aufschließt. Als er die schwere Eichentür geöffnet hat, nimmt er neben dieser
eine Fackel aus deren Wandhalterung. Sie folgen ihm in einen größeren Raum
hinein, dessen Bodenstroh weiß und brüchig vom Reif unter ihren Füßen knistert.
Leander liegt mit geschlossenen Augen auf dem Rücken. Man hat ihn in Ketten
gelegt.
    Joan drängt sich an Amál vorbei
und erschrickt, als sie Leander aus der Nähe betrachtet. Sein Gesicht ist
geschwollen und grün und blau von Blutergüssen verfärbt. Sein Atem geht
stoßweise und rasselnd. Als Malcom ihn derb mit dem Fuß anstößt, stöhnt er auf.
Daraufhin überkommt ihn ein nicht enden wollender Hustenanfall.
    Zu ihrer eigenen Verwunderung
berührt Joan sein erbärmlicher Zustand, obgleich auch sie nicht umhinkommt, ihn
wie die anderen als etwas ähnliches wie den fleischgewordenen Teufel selbst zu
fürchten. „Malcom.“
    Er blickt sie an.
    „Wenn du noch etwas mit ihm
vorhast, solltest du ihn hier herausholen. Andernfalls stirbt er innerhalb der
nächsten Tage.“ Sie hockt sich neben Leander und befühlt dessen glühende Stirn.
„Er fiebert bereits. An eine Vernehmung kannst du jetzt nicht einmal denken.“
    Malcom nickt widerwillig und
überlegt.
    „Wir können ihn nicht mit
hinauf nehmen. Niemand ist sicher vor ihm“, gibt Amál zu bedenken. „Ich traue
ihm zu, dass er sich gar in diesem Zustand seiner Fesseln entledigen könnte.“
    Joan schüttelt den Kopf. „Er
ist schlecht dran, Amál. Du unterschätzt seine Verfassung.“ Sie reißt Leanders
blutige Tunika auf und öffnet das Hemd darunter. Die Wunde in seiner linken
Brust hat sich entzündet und ist stark geschwollen. Sein Körper glüht.
    „Wir könnten ihn ebensogut im
Wohnturm in Ketten legen“, wirft Raymond ein.
    „Also gut“, beendet Malcom die
Diskussion. „Er muss hier raus. Wir brauchen ihn als Raymonds
Entlastungszeugen.“
    Leander öffnet plötzlich die
hellen Augen. Sie wirken in seinem dunkel gefärbten Gesicht unheimlich. Er
fixiert Malcom, wobei er die Augen zu zwei Schlitzen verengt. „Niemals,
Farwick“, raunt er mit kratziger Stimme, um daraufhin wieder entsetzlich zu
husten. Als ihn Amál an der Gurgel packt und zudrückt, lässt er ein halb
ersticktes Lachen vernehmen.
    „Du wirst noch flehen, aussagen
zu dürfen, Bastard“, knurrt Amál, was ihm Leanders hasserfüllte Blicke
einbringt. Unsanft lässt er ihn daraufhin wieder los.
    „Woher stammt dein Hass,
Leander“, murmelt Joan mehr zu sich selbst. Doch es ist Leander nicht
entgangen, wie ihr ein überraschter Blick bezeugt, mit dem er sie streift,
bevor er den Kopf abwendet und erschöpft wieder die Augen schließt. Wenn sie
bedenkt, dass sie einst für ihn schwärmte ... Dabei trieb er ein falsches Spiel
mit ihr und wollte sie töten!
    Malcom richtet sich an den
Kerkermeister neben ihm. „Gib dem Schmied Bescheid, er soll ihn in meiner
Kemenate in Ketten legen. Nimm dir ein paar Männer und bring ihn hoch. Fesselt
ihn zuvor. Und gebt Acht, er ist gemeingefährlich. Auch wenn er im Moment nicht
den Eindruck erweckt.“
    Der Mann nickt wortlos,
woraufhin sie vor ihm das Verlies verlassen. Schweigend gehen sie
hintereinander die Treppen zum Wohnturm empor. „Du hättest ihn in den dritten
Stock bringen lassen sollen“, gibt Amál zu bedenken, während er die schwere Eichentür
zum Wohnturm aufdrückt. „Er ist viel zu nah bei uns.“
    Malcom schüttelt den Kopf. „Er
braucht die Wärme eines Kamins und alle Kemenaten sind bewohnt. Im dritten
Stock gibt es keine. Zumindest NOCH nicht. Im Frühjahr, wenn wir hoffentlich
wieder vollzählig sind, werde ich dort Kamine in die Gemächer einbauen lassen.“
    Sie stehen beim Ziehbrunnen.
„DU wirst ihn jedenfalls nicht versorgen, Joan“, bemerkt Raymond plötzlich mit
Nachdruck.
    „Er wird in Ketten liegen,
Vater“, antwortet sie spöttisch.
    „Er hat Recht“,
entscheidet Malcom mit eindringlichem Blick, der sie nicht wiedersprechen
lässt. „Fiona wird es tun.“
    Mit
abwägend gegen die Unterlippe

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