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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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gedrücktem Zeigefinger steht Joan in ihrer
Kemenate vor der Wand mit den getrockneten Kräutern. „Das hier sollte im Absud
gegen seinen Husten nicht fehlen“, ruft sie und zupft einige Blätter aus einem
Bündel getrockneter Schafgarbe. Fiona nimmt sie nickend entgegen und legt sie
in ihrer nunmehr makellos sauberen Schürze neben Blutlungenmoos, den Blättern
von Hundszunge und Thymian und Blüten von Klatschmohn, Malve, Wollblume sowie
den Eibischwurzeln zurecht.
    „Du könntest die Abkochung mit
Honig süßen“, gibt ihr Joan zu verstehen.
    Fiona lächelt sie nickend an.
Sie hat ihre Scheu vor ihr abgelegt. Sie gehen schon beinahe vertraut
miteinander um. Die nur wenig Ältere strahlt stets eine Ruhe aus, die von innen
zu kommen scheint und welche Joan immer wieder aufs Neue fasziniert. Eine
gewisse Distanz kann sie zu ihr jedoch nicht überbrücken. Fiona wird wohl immer
ein wenig unnahbar bleiben. Vermutlich durch ihre Taubheit bedingt und die
Erfahrungen, welche sie dadurch prägten. Seit einigen Tagen versorgt sie
Leander erfolgreich, wobei sie bei dieser heiklen Aufgabe regelrecht aufblüht.
Ihre Augen funkeln und ihren Mund umspielt ein geheimnisvolles Lächeln, wo sie
geht und steht. So auch jetzt, als sie plötzlich unvermutet die Hand nach Joan
ausstreckt und ihr über den Bauch streichelt.
    Joan sieht unverhofft an sich
herab und senkt die Brauen. Fragend blickt sie Fiona ins wissend lächelnde
Gesicht. Ihre Augen weiten sich. „Du meinst ...“, ihr Herz macht einen Sprung.
Mit stockendem Atem schlägt sie überrascht eine Hand vor den Mund, um gleich
darauf einen freudigen Schrei auszustoßen. Sie muss einen komischen Anblick
bieten. Fiona grinst sie breit an. Fassungslos schüttelt sie den Kopf. „Oh
Gott, Fiona. Warum ist es mir nicht selbst aufgefallen! ... Warum wohl sonst
werde ich immer üppiger“, ruft sie aus und rauft sich lachend die Haare. Dann
lässt sie die Hände entgeistert wieder sinken. „Aber ich hatte immer diese
fürchterlich starken Blutungen, wie hätte ich darauf kommen sollen“, überlegt
sie.
    Fiona betrachtet sie
nachdenklich. Ganz langsam nähert sie sich wieder ihrem Bauch, legt ihre Hand
darüber und schließt die Augen.
    Noch etwas über deren sicheres
Auftreten erstaunt, spürt Joan plötzlich eine deutliche Wärme, die sich von
Fionas Hand über ihren Unterleib ausbreitet, um daraufhin Besitz von ihrem
gesamten Körper zu nehmen, sie auf geheimnisvolle Weise miteinander zu verbinden.
Sie legt erstaunt ihre Hand über die ihrer Freundin. Doch diese ist ganz kühl.
Fiona nickt lächelnd mit geschlossenen Augen. Dann jedoch reißt sie diese
erschrocken auf.
    Es fährt Joan durch Mark und
Bein. Erschaudernd starrt sie Fiona in die unheimlich geweiteten Augen. Sie
strahlen einen sonderbaren Glanz aus, der ihr zuvor noch nie an ihr auffiel.
Dann blicken sie mitfühlend.
    „Fiona, was hast du“, haucht
sie erschüttert, woraufhin diese mit hastig schüttelndem Kopf eine
beschwichtigende Geste andeutet. Doch es kann Joan nicht wirklich beruhigen.
Fiona streckt daraufhin zwei Finger von ihrer Faust ab, von dem sie bedächtig
einen umknickt.
    Joan hält erstaunt den Atem an.
Wie kann sie wissen, dass sie ein Kind verlor?
    Innerlich aufgewühlt reibt sie sich
fahrig über die Stirn. Sie schließt die Augen, um sich kurz zu sammeln.
Durchatmend blickt sie daraufhin Fiona wieder an. „Es wäre besser gewesen, ich
wüsste nichts davon. Nun frage ich mich immer, ob ich es wieder verlieren
werde.“
    Fiona legt ihr anteilnehmend
eine Hand auf die Schulter.
    Joan sieht daraufhin wieder auf
ihren Bauch unter dem grünen Surkot. Sie tastet darüber. „Er ist noch nicht
dick. Es kann nicht sehr weit sein“, mutmaßt sie, um dann Fiona ungläubig
anzusehen. „Denkst du WIRKLICH?“
    Fiona nickt eifrig und lächelt
wieder.
    Joan stößt hörbar die Luft aus.
Ihr bleibt nichts weiter übrig, als abzuwarten. Nachdenklich mustert sie Fiona.
Plötzlich betrachtet sie diese in einem ganz anderen Licht. Dieses schwarze
Haar und ihre zierliche Gestalt, ... dann diese tiefgründigen, grünlichen
Augen, welche sie an die leuchtenden Feenaugen aus den alten Sagen erinnern.
„Du stammst vom alten Volk ab?“
    Auf Fionas knappes Nicken hin
deutet Joan ein ahnungsvolles Lächeln an. „Wie sehr wünschte ich, du könntest
richtig sprechen. Schon lange fasziniert mich diese alte Heilkunst. Bisher habe
ich noch niemanden gefunden, der sie gut beherrscht. ... Ist dein Können

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