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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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und stutzt, als er bemerkt, wie stark
sie mit Blut besudelt sind. Hemd und Tunika in seinen Händen sind am Bauch lang
aufgeschlitzt. „Allmächtiger“, entfährt es ihm und er starrt sie bestürzt an.
    „Verzeih, ich kam noch nicht
dazu, sie säubern und ausbessern zu lassen“, gesteht sie mit einem
unbehaglichen Räuspern. „Ich war etwas abgelenkt.“ Sie erhebt sich nun
ebenfalls und kommt vor ihn. Nachdenklichen Blickes lässt er seine Kleider auf
die Dielen gleiten.
    „Da ist ohnehin nichts mehr zu
machen“, murmelt er versonnen.
    „Du solltest dich noch
schonen“, bedeutet sie ihm eindringlich. „Die Wunde ist groß. ... Überlass es
jemand anderem, ihn zu einem Geständnis zu bringen. Deine Männer werden sich
vermutlich danach sehnen, ihn ihre Wut spüren zu lassen.“ Sie beginnt, sich
anzukleiden.
    Er schüttelt den Kopf. „Ich
will, dass er es überlebt.“
    „Du bist doch dabei“, wendet
sie ein, worauf er hörbar durchatmet.
    „Und was ist mit MEINER Wut?“
    Sie deutet ein unbeeindrucktes
Kopfschütteln an. „Ich fürchte einfach, diese Naht könnte wieder aufgehen, wenn
du sie zu sehr belastest“, versucht sie, ihn zu beschwichtigen. Sein Zorn auf
Leander ist offensichtlich groß.
    Schließlich nickt er
einsichtig. „Also gut. Hol mir Amál. Ich suche mir derweil neue Kleider.“
    Erleichtert aufatmend geht sie
vor ihm her zur Tür. Auf dem Gang begegnen sie Raymond, der sie abwesend und
nur mit Leibhemd und Beinlingen bekleidet aus verschlafenen Augen ansieht,
bevor sich jene jedoch weiten und er überrascht stehen bleibt.
    „Mal. Du bist wohl auf? ...
Wieso sagt mir das niemand! Ich hab’ kein Auge zugekriegt!“ Er klingt
aufgebracht und stützt sich nun unmittelbar an der Wand ab, um sich zu sammeln.
    „Vater, er erwachte erst vor
kurzem. Ich hätte es euch sonst mitgeteilt“, versucht Joan, ihn zu besänftigen.
    Raymond schüttelt den Kopf.
„Schon gut. Es ist nur ...“, er atmet durch, macht plötzlich einen Schritt auf
Malcom zu und drückt ihn an sich.
    „Au, Ray, ... nicht so
stürmisch“, lacht dieser, wobei er Joan ein wenig hilflos ansieht. Raymond löst
sich wieder von ihm, hält ihn an den Schultern und betrachtet staunend seinen
Verband.
    „Ich kann noch immer nicht
glauben, dass sie dich einfach zugenäht haben wie einen zerschlissenen Sack.“
Er blickt ihm kopfschüttelnd ins Gesicht. „Und es scheint dir für jemandem, dem
die Eingeweide auf den Boden klatschten, erstaunlich gut zu gehen.“ Er wendet
sich zu Joan herum. „Es war mir nicht bewusst, dass du dich so gut auf die
Heilerei verstehst, Kind“, meint er anerkennend, doch auch eine Spur
befremdlich, so dass sie sich unter seinem eigentümlich durchdringenden Blick
schon beinahe unwohl fühlt. Doch unversehens kehrt er ihr den Rücken zu, um
wieder Malcom anzusehen. „Bei Gott. Es ist ein Wunder.“
    Joan lächelt. „Du schmeichelst
mir, Vater.“
    Amál kommt gedankenversunken zu
einer Tür heraus, welche nicht derjenigen zu seiner Kemenate entspricht, und
bleibt verdutzt stehen, als er Malcom erblickt. Augenblicklich verzieht sich
sein Mund zu einem frohen Grinsen, das von Herzen kommt, und er steuert auf ihn
zu. „Ich habe für dich gebetet“, raunt er, wobei er Malcom erleichtert umarmt.
Als er sich wieder von ihm löst, versetzt er ihm einen freudigen Schlag gegen
die Schulter, unter dem Malcom ein wenig strauchelt. Abwehrend hebt dieser
daraufhin die Hände.
    „Bevor ihr mich völlig mit
eurer ungewöhnlichen Fürsorge erdrückt oder erschlagt, mach’ ich mich lieber
davon.“ Seine belustigte Miene entschädigt sie für die bangen Tage. Noch immer
völlig nackt geht er in Richtung seiner Kemenate, um sich dann noch einmal
umzuwenden. Er streckt die Hand vor und weist auf Amál. „Ich benötige dich
sogleich bei der peinlichen Befragung des Spielmanns. Joan hat mir eingeredet,
es wäre nicht gut für mein Wohlbefinden, würde ich mich eigenhändig an ihm
vergreifen.“
    Amál neigt spielerisch den Kopf
vor ihm. „Euer persönlicher Folterknecht steht ganz zu Euren Diensten.“ Er
stemmt die Hände in die Seiten. „Auch wenn ich glaube, dass es deinem
Wohlbefinden nur zuträglich wäre, ihm SELBST Pein zu berei...“ Ein unsanfter
Stoß von Joans Ellenbogen zwischen seinen Rippen bringt ihn zum Schweigen.
    Malcom verschwindet in seinem
Gemach.
    Raymond blickt sie beide an.
„Das werde ich mir nicht entgehen lassen.“ Er macht auf dem Absatz kehrt und
öffnet die Tür zu Blanches

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