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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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Zum Abschied hebt sie die Hand und
verlässt Miriams Gemach. „Wusst’ ich’s doch, du kleiner Herzensbrecher“, raunt sie
belustigt. Kopfschüttelnd grinst sie in sich hinein. Gemächlichen Schrittes
steuert sie den Treppenturm an und spürt plötzlich ein leichtes Ziehen in ihrem
Unterleib. Erschrocken bleibt sie stehen und legt eine Hand gegen ihren Bauch.
„Nein“, ruft sie gequält. „Oh Gott, bitte lass es mir!“
    Das Ziehen hält etwas an, um
dann wieder zu verebben. Sie atmet auf. Doch weiß sie, dass es wiederkommen
kann und schließt die Augen. „Oh Herr, bitte. Ich wünsche es mir doch so sehr.“
    „Joan?“
    Sie blickt in Malcoms fragendes
Gesicht.
    „Bist du wohl?“
    Nickend ringt sie sich ein
Lächeln ab.
    Er
betrachtet sie einen Augenblick lang noch etwas zweifelnd und nimmt dann ihre
Hand. „Ich dachte schon, dich wieder wecken zu müssen“, grinst er schließlich.
„Komm endlich, bevor nur noch die Knochen und dunkles Brot übrig sind.“
    Es ist wie
verhext. Joan kann sicher sein, leichte Wehen zu bekommen, wenn sie Treppen
steigt. Daher vermeidet sie dies, wann immer es geht. So breit ihr Wissen über
Heilkräuter auch ist, wenn es sich um Schwangerschaften oder Geburten dreht,
ist sie so gut wie erfahrungslos. Demzufolge will sie nun endlich Fiona um Rat
bitten, wie man Wehen hemmen könnte und ist gerade auf dem Weg zur Küche, als
Fiona plötzlich aufgelöst schluchzend an ihr vorübereilt.
    „Fiona?“ Doch diese kann sie
natürlich nicht hören. Verwundert blickt Joan ihr nach. Sie hört weitere
Schritte hinter sich, woraufhin sie sich umwendet. Shepherd hastet an ihr
vorbei und Fiona hinterher. Als er sie einholt, reißt er sie am Arm herum. Joan
traut ihren Augen kaum, als Fiona ihm eine Ohrfeige versetzen will. Doch er
fängt ihre Hand ab. Sie blitzt ihn wütend an und wendet sich von ihm ab, um
wegzulaufen. Er hält sie nicht mehr auf, dreht sich stattdessen ohnmächtig
seufzend zu Joan herum.
    Als er sie daraufhin
nachdenklichen Blickes ansteuert, wird sie misstrauisch.
    „Joan, wir könnten dich bei
Leander gebrauchen.“
    Sie ist überrascht. „Wieso. Ich
hörte, es ginge ihm wieder gut.“
    Er bleibt vor ihr stehen und
hebt gleichmütig die Schultern. „Das war, BEVOR wir versuchten, ihn zu
verhören“, antwortet er teilnahmslos.
    Joan schwant Böses. „Was habt
ihr mit ihm angestellt, dass Fiona derart aus der Haut fuhr“, fragt sie mit in
die Seiten gestemmten Händen.
    „Sieh ihn dir bitte an“,
erwidert er ausweichend. „Wir brauchen ihn leider noch. Und Fiona ist im Moment
nicht ganz zurechnungsfähig.“
    Joan kann sie nun gut
verstehen. Wochenlang hat sie Leander wieder hochgepäppelt und im nächsten
Augenblick ist alles zunichte gemacht. „Was euch fehlt, ist ein wenig mehr Mitgefühl.
Er ist euch wehrlos ausgeliefert. Gibt es keinen anderen Weg, ihn zum Reden zu
bringen?“
    Shepherd blickt ihr verdutzt
ins verärgerte Gesicht. Ungläubig lacht er auf. „Was ist nur los mit euch
beiden? Hast du schon vergessen, was er auf dem Kerbholz hat? ... Das letzte,
was er verdient, ist unser Mitgefühl.“
    Sie atmet durch, um dann in
einer hilflosen Geste die Hände zu heben. Offenbar kann sie ihm nicht
verständlich machen, was sie meint. „Gleiches mit Gleichem vergelten, wie? Du
stellst dich mit ihm auf eine Stufe“, brummt sie noch und winkt ab. „Geh schon
voraus, ich komme nach.“
    Mit einem knappen Nicken wendet
er sich zurück zum Treppenturm.
    Joan folgt ihm langsam
hinterher. Auf keinen Fall will sie sich überanstrengen, was bei ihrer
gegenwärtigen Kurzatmigkeit sehr schnell geschieht, und wieder Wehen riskieren.
Gemächlich nimmt sie die Stufen hinauf in den zweiten Stock und geht kurz in
ihr Gemach, um Verbandmaterial und einige Tinkturen zu holen, die sie bei
offenen Wunden oder Brüchen verabreichen würde. Dann begibt sie sich in Malcoms
Gemach. Sie tritt ein und stutzt, als sie Malcom neben Leander knien sieht.
Unsicher kommt sie auf beide zu. Amál und Shephard stehen bei ihnen, die Blicke
abwechselnd auf Leander und Malcom gerichtet. Sie hört Leanders Stöhnen und
schiebt Amál etwas beiseite, um besser an ihn heran zu kommen. Malcom blickt zu
ihr auf und schüttelt bedächtig den Kopf. „Er ließe sich lieber totschlagen,
als ein Sterbenswort über seine Lippen kommen zu lassen.“
    Sie zieht die Augenbrauen
zusammen. „Offensichtlich ist es nicht der richtige Weg“, erwidert sie
herausfordernd, woraufhin sich sein Gesicht

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