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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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wächst plötzlich noch
mehr. Denn ihm muss doch klar sein, wie aussichtslos dieser Plan ist! Wollte er
sie beschwichtigen? „Welch launenhaftes Spiel treibst du mit mir, Malcom?“
Womöglich denkt er gar, er könne dieses noch eine Weile weiter treiben, wenn er
zurück ist, um sie hinzuhalten! In ihrem Kopf beginnt alles zu schwirren. Sie
weiß nun gar nicht mehr, was sie noch glauben soll. Wieder einmal wird sie sich
ihrer Schutzlosigkeit bewusst.
    Mit hängendem Kopf setzt sie
sich bedrückt aufs Bett. Ihr kommen vor Erbitterung die Tränen.
    Dann fasst sie sich und
beginnt, ihre Lage zu überdenken. Malcom wird sicher spätestens im Winter
wieder zurück sein. Denn Schlachten können nur in der warmen Jahreszeit
ausgetragen werden. Doch verspürt sie nicht die geringste Lust, bis dahin
eingesperrt auf der Burg zu verharren, um sein Bett für ihn warm zu halten. Sie
empfindet es als Erniedrigung. Es erscheint ihr als das schlimmste aller
Schicksale. Überdies muss sie sich mit Jacob aussprechen. ... Hätten sie sich
nur einen Tag später vermählt, wäre alles anders gekommen. Nicht, dass sie
nicht froh darüber wäre, vor einer Heirat mit ihrem Halbbruder bewahrt worden
zu sein. Auch bereut sie die vergangene Nacht nicht, die unleugbar die
aufregendste ihres bisherigen Lebens war. Wenn auch gewiss die sündhafteste.
Denn es kann nur Sünde sein, sich so wollüstig der gottlosen Fleischeslust
hinzugeben. Vermutlich wären ihr bei der Beichte laut Reglement des Bußbuches
sieben Jahre Fasten bei Wasser und Brot gewiss! ... Doch hat sich durch Malcom
ihre gesamte Situation nur noch verschlimmert. Er glaubt, über sie entscheiden
zu können! Niemals wird sie sich seiner Willkür ausliefern, selbst wenn es für
sie hieße, fortan wieder ein unbeschwertes Leben führen zu können. Denn
wichtiger als ein solches sind ihr die eigene Freiheit und dass sie selbst
bestimmen kann, wem sie ihr Jawort gibt.
    „Lieber ein Leben in Armut“,
schwört sie sich mit mürrischem Trotz, atmet dann schwermütig durch und
überdenkt ihre Worte noch einmal. „Wirklich“, fragt sie sich. Denn sie weiß
mittlerweile sehr wohl, was Armut bedeutet. Doch sie kommt zu dem Schluss,
diese weit weniger zu fürchten, als eine erzwungene Ehe. Schon der bloße
Gedanke an eine solche verursacht ihr Pein. „Deinen Schutz schieße ich in den
Wind! Ich kam bisher auch sehr gut ohne deine Fürsorge zurecht, Malcom“,
murmelt sie verächtlich. Im Gegenteil. Erst Malcom machte ihr das Leben schwer
und ließ sie übereilte Entscheidungen treffen. Durch ihn ist sie nun berührt,
überdies keine Freie mehr. Oder doch? Joan ist nicht sicher, ob dies mit ihrer
für ungültig erklärten Vermählung ebenfalls hinfällig geworden ist.
    Sie wird wütend auf Malcom,
erhebt sich fahrig und geht zum Fenster, um über der Bespannung aus
durchscheinender, gewichster Leinwand aufs Land hinauszuspähen. Trotz allem
hinterlässt sein Verschwinden eine schmerzliche Leere in ihrer Brust. Ein
völlig neuartiges Gefühl. Wobei ... nein, nicht gänzlich fremd, wenn sie an
ihren Spielmann denkt.
    Aufgewühlt blickt sie auf den
Wald hinab. Die Baumkronen wiegen sich sanft und rauschen in einer leichten
Brise, die auch bald Joan erreicht und auffordernd an der Fensterbespannung vor
ihr rüttelt. Am Horizont erkennt sie Thornsby, die Felder und den Weiher
wieder. Sie atmet tief durch. Ausgeschlossen, dass sie bleibt!
    Mit einem Ruck löst sie sich
von der hölzernen Fensterbank und überlegt fieberhaft. Dabei eckt sie mit dem
Fuß gegen die bunte Truhe unter dem Fenster. Stutzig geworden fasst sie diese
daraufhin genauer ins Auge. Zögerlich kniet sie davor nieder und öffnet sie.

Joan wird zu
Jack
    Joan steht
vor der Tür und macht sich Mut. Ihr Äußeres hat sich gänzlich verändert. Sie
trägt die abgewetzte Knabenkleidung ihrer Brüder und hält ihr langes Haar unter
einer Kappe verborgen. Unter dem leinenen Leibhemd hat sie sich ihren Busen
flach geschnürt. Als Oberbekleidung dient ihr eine bis zu den Knien reichende
grüne Tunika, über welcher sie eine Gugel, eine langzipfelige Kapuze mit
breitem, die Schultern bedeckendem Kragen, in leuchtendem Blaugrün trägt. Der
Kragensaum ist gezackt und gibt den Blick auf das dezent im linken Brustbereich
der Tunika eingestickte Familienwappen der Thornsbys, dem grünen Drachen auf
goldenem Grund, frei, das sie mit Stolz trägt. Dieser ist nicht ganz
ungerechtfertigt, da ihre Mutter einst das Wappen stickte, woran

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