Die rote Farbe des Schnees
einem unter den
Kopf gelegten Arm blickt er nachdenklich nach oben gegen den Baldachin.
Offenbar bemerkte er ihr Erwachen noch nicht, denn seine Miene verrät tiefe
Traurigkeit. Es berührt sie auf eigentümliche Weise. Wie gerne wüsste sie um
sein bedrückendes Geheimnis, welches ihm augenscheinlich so schwer zu schaffen
macht. Doch ist sie nicht sicher, ob sie es wagen würde, ihn zu trösten. Denn
trotz seiner körperlichen Nähe ist er ihr noch immer beklemmend fremd.
Allerdings hat sie Vertrauen zu ihm gefasst. Sie spürt, dass er ein gutes Herz
hat. Als sie sich hochstützt, wendet er ihr das Gesicht zu.
Sie versinkt in seinen
tiefblauen Augen.
Er dreht sich auf die Seite, um
kurz über sie hinweg nach einem Krug auf dem Schemel zu langen, den er
daraufhin an die Lippen setzt und etliche lange Züge nimmt. Dann reicht er ihn
an Joan weiter. „Aber gib Acht, ich trinke Wein stets unverdünnt.“
„Gibt’s dafür einen bestimmten
Grund?“ Sie hat Durst und trinkt begierig.
Er hatte sie auf ihre Frage hin
überrascht gemustert und blickt wortlos weg. Als sie etwas später laut
vernehmbar atemlos Luft schnappt, wendet er sich ihr gedankenversunken wieder
zu. Sie hat den Krug noch immer an den Lippen, so dass er ihn ihr eilends
wieder wegnimmt.
„Willst du dich betrinken?“
Gleichgültig dreht sie sich zum
Schemel um und ergreift den großen Wasserkrug. Dieser ist schwer und sie muss
sich aufs Bett knien, um ihn anheben zu können. Sie trinkt direkt aus dem Krug.
Ein paar Wassertropfen rinnen ihr dabei übers Kinn und daraufhin die Brust
hinab. Als ihr Durst endlich gestillt ist, stellt sie das Gefäß wieder auf den
Schemel.
Malcom hatte sie fasziniert
beobachtet und setzt den Weinkrug auf dem Fußboden ab. Er legt sich ihr
zugewandt auf die Seite, stützt den Kopf auf dem angewinkelten Arm auf und
streicht ihr versonnen mit dem Finger über die Wassertropfen auf der Brust.
Sie will sich hinlegen, wobei
sie bemerkt, dass sie schwankt. In ihrem Kopf dreht sich alles und sie kichert
darüber.
„Nicht zu fassen, du bist
bereits betrunken“, raunt er.
„Na und“, erwidert sie,
übermütig vom Geist des Weines geworden. Grinsend nähert sie sich ihm, kriecht
wankend zu ihm unter die Decke. Selbstsicher stößt sie ihn auf den Rücken herum
und setzt sich auf seinen Schoß.
Er blickt sie überrascht an.
Sie beugt
sich zu ihm hinab und küsst seinen Mund. Malcom erwidert es ergeben, streicht
ihr dabei eine lange Strähne aus der Stirn hinters Ohr, um daraufhin ihr
Gesicht zwischen beide Hände zu nehmen. Seine Küsse sind so überaus anders als
jene von Jacob, machen, dass ihr ganz warm ums Herz wird. Wollüstig bewegt sie
sich auf ihm. Beinahe glaubt sie, ihn in der Hand zu haben. Den Mann, der ihr
wie kein anderer viele Wochen lang bereits beim bloßen Gedanken an ihn eine
unsägliche Angst einflößte. Es ist ein berauschendes Gefühl, das sie beflügelt.
Er hat das Feuer, welches sie schon immer in sich ahnte, in ihr geweckt. Sie
will ihn unbedingt noch einmal. Verschmitzt betrachtet sie ihn, spürt ihn hart
unter sich. „Und was magst DU?“
Sie
erwachen im Morgengrauen. Als sich Joan aufsetzt, brummt ihr augenblicklich der
Kopf. Stöhnend legt sie eine Hand gegen die Stirn.
Malcom erhebt sich mit einem
breiten Grinsen. „Der Wein meines Lehens lässt zu wünschen übrig“, bemerkt er
süffisant und beginnt, sich anzukleiden. „Ich werde heute nach Norden
aufbrechen. König Edward sammelt zum Krieg gegen die Schotten.“
Joan hängt an seinen Lippen.
„Was“, entfährt es ihr bestürzt. Dann überlegt sie. „Nun ja, es war irgendwie
abzusehen. Diese jahrelangen Kämpfe gegen diese verdammten Rebellen unter
Robert the Bruce ...“
Malcom bedenkt sie mit einer
gehobenen Braue, bevor er sich sein Hemd überzieht. „Er ist immerhin ihr König.
Wer kann ihnen schon ihren Freiheitsdrang verübeln? Sie werden vermutlich nie
aufhören, sich gegen die englischen Unterdrücker aufzulehnen.“ Er geht zur Tür
hinüber und zieht sein Schwert vom Kasten herunter.
„Du ergreifst für sie Partei“,
fragt Joan ungläubig, was ihn überrascht zu ihr herüberblicken lässt.
Grinsend schüttelt er den Kopf.
„So weit würde ich nicht gehen. Doch bin ich nicht der Einzige, der an der
Rechtmäßigkeit dieses Krieges Zweifel hegt. Wenn manch englischer König ihnen
ein wenig mehr Einfühlungsvermögen entgegengebracht hätte, wäre beiden Seiten
viel Leid erspart geblieben.“
Joan bedenkt seine
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