Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
Vom Netzwerk:
herab. Als er der Länge nach ins
Stroh schlägt, schließt er die Augen und bleibt daraufhin reglos in der Nähe
seines Bruders liegen.
    Joan war auf eine solch
schnelle Wirkung nicht gefasst und kommt besorgt zu ihm. Doch er schlummert
lediglich, die Augen sind noch einen Spalt breit geöffnet.
    „Herrliches ... Teufelszeug“,
hört sie ihn raunen, worauf sie durchatmend den Kopf über ihn schüttelt.
    „Ich sehe etwas später noch
einmal nach euch“, murmelt sie mehr zu sich selbst und erhebt sich. Insgeheim
ist sie froh, dass es ihn nicht mitsamt des Weinfasses in finsterer Nacht vor
der Schlucht überwältigte. Er hätte hinabstürzen können. Sie hört Stimmengewirr
aus dem Treppenturm herannahen. Wenig später strömt das Gesinde in die Halle,
um aufgeregt wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen an den beiden Längstischen
Platz zu nehmen. Joan fasst eine Küchenmagd am Arm. „Woher kommt ihr?“
    „Aus dem Kerker, Lady Joan“,
antwortet diese müde. „Seine Lordschaft hat uns soeben herausgelassen.“
    „Sind alle wohl auf?“
    Die Magd zuckt die Schultern.
„Bis auf jene, die anfangs von der Mauer gestürzt wurden“, erwidert sie spitz.
Joan bemerkt ihre tränenunterlaufenen Augen und verzeiht ihr diesen Affront.
Die Frau wischt sich mit dreckigen Händen übers Gesicht. „Und die Wache ist
wohl ebenfalls tot.“
    Joan nickt, wobei sie ihr
mitfühlend die Schulter drückt. Alles in allem sind sie jedoch glimpflich
davongekommen. Dank Isa. Als Raban und Kenneth in ihrer Nähe erscheinen, wendet
sie sich an diese. „Bitte sorgt dafür, dass die beiden Saufbrüder hier in ihre
Betten kommen. Und beseitigt das Weinfass. Ich werde endlich meinen Vater
verständigen.“
    Sie nicken. „Malcom hat alle
angewiesen, sich in der Halle zu versammeln. Falls du unterwegs auf Gesinde
triffst, gib es ihnen zu verstehen.“
    Sie macht ein überraschtes
Gesicht. „Was hat das für eine Bewandtnis?“
    „Er hat vor, dieses verdammte
Verräternest auszuheben“, antwortet Kenneth.
    „Was? ... Aber wie?“
    Die beiden tauschen vieldeutige
Blicke, wobei Angus plötzlich neben ihnen auftaucht und aller Aufmerksamkeit
für sich beansprucht. Atemlos stützt er sich mit einer Hand an der Wand ab.
Joan bemerkt, dass sein Haar am Hinterkopf blutverschmiert ist.
    „Wo ist Malcom“, presst er
hervor.
    „Er kommt alsbald“, antwortet
Raban. „Du kannst gleich hier bleiben.“
    Angus jedoch schüttelt den
Kopf. „Es war einer der Stallknechte. Er ist mir entwischt, nachdem er mir eins
übergezogen hatte. ... Wir müssen hinter ihm her.“
    „Vielleicht
hat ihn Raymond fassen können“, raunt Joan, während sie sich bereits dem
Ausgang zugewendet hat. Angus eilt sogleich hinter ihr her.
    „Ich hatte
ihn schon, verflucht“, ruft Raymond ungehalten. Er sitzt im Schein von Angus
Fackel im Gras und fährt sich benommen über seinen Kopf. Darauf zieht er eine
blutige Hand zurück. „Diese verdammte, mondlose Nacht! ... Doch wenigstens
konnte ich ihm noch das Schwert ins Bein stoßen.“
    Blanche starrt Joan wie
versteinert an. „Wo ist Isa jetzt?“
    „Bei Agnes. Ellinor ist gewiss
auch schon aus dem Kerker heraus und bei ihr. ... Es geht ihr den Umständen
entsprechend gut.“
    Blanche schluckt. „Ich will
endlich zu ihr“, murmelt sie und drückt die Decke, in welche Stephanie gehüllt
ist, eng an sich. Raymond stemmt sich hoch. Angus will ihn stützen, doch er
entzieht sich ihm ruppig. Als er die ersten Schritte macht, strauchelt er
jedoch und droht zu stürzen. Joan kommt daraufhin beflissen neben ihn. Mit
missvergnügtem Brummen legt er einen Arm um ihre Schultern und lässt sich von
ihr stützen. Am Felsentor angekommen, verharrt er, um sich wieder von ihr zu
lösen.
    „Ich glaube, es wird nun
gehen“, murmelt er und hat Recht. Joan atmet erleichtert auf. Zwar ist sie nur
weniger als einen Kopf kleiner als er, doch unter seinem Gewicht mächtig ins
Schwitzen gekommen. Sie wartet ab, bis Blanche zu ihr aufgeschlossen ist und
folgt an deren Seite Angus und ihrem Vater nach. Hinter ihnen vernimmt sie die
dumpfen Tritte der ihnen nachtrottenden Pferde. Lächelnd betrachtet sie das
kleine Gesicht Stephanies. Blanche bemerkt es.
    „Er ist mächtig stolz auf sie“,
erklärt sie versonnen.
    Sie gehen eine kurze Weile
schweigend nebeneinander her. „Du entbindest seine Kinder immer, wenn Farwick
Castle überfallen wird“, stellt Joan fest.
    Blanche nickt. „Es ist dubios.“
Dann schnaubt sie verächtlich.

Weitere Kostenlose Bücher