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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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Ohr.
    Als sie sich ihm zuwendet,
küsst er sie sacht auf den Mund.
    „Du gefällst mir auch“,
erwidert sie verschmitzt. Und es ist nur allzu wahr. In seiner sonstigen
Vorliebe zu schmuckloser, schlichter Kleidung machte er am heutigen Tage eine
Ausnahme. Sie gereicht ihm in seinem Surkot von leuchtendem Blau mit schmalen,
silbern abgesetzten Bordüren am spitzen Ausschnitt und den restlichen Säumen
nicht zum Nachteil. Das Gewand fällt ihm ärmellos bis zu den Knöcheln und ist
durch einen ledernen Gürtel mit silbernen Beschlägen geschnürt, dessen
Riemenzunge ihm bis herab zu den Knien reicht. Die purpurne Seidenfütterung
kommt in den Reitschlitzen auf Vorder- und Rückseite des Gewandes schön zur
Geltung. Halsausschnitt und die engen Ärmel der darunter sitzenden purpurnen
Cotte sind dazu passend dezent silbern bestickt. Das Gewand bringt seine
schönen tiefblauen Augen herrlich zur Geltung, betont seine stattliche
Erscheinung.
    Er schenkt ihr ein Lächeln und
lässt den Blick in die Runde schweifen. „Ich hätte nicht wenig Lust, dich jetzt
einfach zu entführen“, raunt er zu ihrer Belustigung.
    Sie kichert leise. „Du wirst
dich doch wenigstens bis zur Dunkelheit gedulden“, erwidert sie mit gespielter
Missbilligung, was ihn kritisch den Sonnenstand prüfen lässt.
    Mit einem nachsichtigen Lächeln
schüttelt sie den Kopf über ihn, um sich daraufhin gemächlich zu erheben.
„Überdies beabsichtige ich, mich vorerst diesem herrlich duftenden Ochsenbraten
dort drüben zu widmen“, erklärt sie mit einem Nicken in Richtung zur Eiche.
    Malcom erwidert es mit einem
verschmitzten Zwinkern.
    Gut aufgelegt begibt sie sich
zu einer der Feuerstellen hinüber, über welcher ein ganzer Ochse an einem Spieß
knusprig braun röstet. Ein Knecht begießt den Rumpf mit einer Kräutermarinade
und dreht den Ochsen über dem Feuer. Joan lässt sich von ihm ein großes Stück
aus der Lende herausschneiden, das er ihr auf ihren Dolch gespießt zureicht,
und geht damit zu Agnes hinüber, welche neben Blanche an die Eiche gelehnt im
Gras sitzt und Robert stillt. Sie nimmt neben ihnen Platz, um sich daraufhin
genüsslich ihrem Bratenstück zu widmen. Heda kommt schnüffelnd herbei und legt
sich neben sie, lässt jedoch das Ziel ihrer Begierde nicht aus den Augen und
hebt schließlich aufmerksam den Kopf, als Joan einen lauten Rülpser von sich
gibt, was erfahrungsgemäß bedeutet, dass deren Magen nicht länger gewillt ist,
noch mehr aufzunehmen. Joan lässt den Rest der Lende vor sich ins Gras sinken.
Heda erhebt sich, um sie mit schräg gestelltem Kopf erwartungsvoll anzublicken.
Lachend hält ihr Joan das Fleisch vor die Schnauze. Heda beißt freudig
schwanzwedelnd hinein und entzieht es ihr zaghaft, jedoch nachdrücklich. Joan
überlässt es ihr gönnerhaft. Während sie beobachtet, wie das Tier hastig das
Fleisch verschlingt, lehnt sie sich behaglich gegen den Baum zurück. Dann lässt
sie den Blick versonnen umher schweifen. Es dämmert bereits. Ale und Wein fließen
in rauen Mengen, so dass viele ihrer Gäste schon angetrunken sind. Man hat
einen großen Haufen aus Holzscheiten und Ästen angesammelt, der soeben an einer
ölgetränkten Stelle mit einer Fackel entzündet wird. Die Flammen schlagen kurze
Zeit später über mannshoch lodernd in den von der untergehenden Sonne purpurn
verfärbten Abendhimmel. Die Menschen beginnen, singend um das Feuer herum zu
tanzen.
    Robert krabbelt unsicher
wankend durchs Gras und rupft vertieft einige Halme aus. Agnes nimmt ihn hoch.
Blanche beendet soeben das Stillen Stephanies. Sie erhebt sich und blickt Joan
fragend an. „Kommst du mit zum Feuer hinüber?“
    Gefragte nickt. „Gleich. Geht
doch schon voraus. Es ist gerade so schön friedlich hier.“ Versonnen beobachtet
sie, wie die beiden mit den Säuglingen zum Feuer hinüber gehen. Robert sitzt
auf der Hüfte seiner Amme und blickt mit großen Augen in die Flammen.
    Glühwürmchen schwirren umher,
die Grillen zirpen laut und von irgendwoher dringt das Quaken von Fröschen an
ihr Ohr. Joan schließt die Augen und genießt die hereinbrechende laue Nacht.
    „Ihr verfügt über etwas, das
Ihr besser nicht zur Anwendung bringt“, ertönt eine wohlklingende Stimme direkt
ihr gegenüber, worauf sie überrascht wieder die Augen öffnet. Den Alten hatte
sie ganz vergessen. Er steht an einen langen Stab gelehnt in einem dunklen
Gewand vor ihr und blickt sie aus klugen, hellen Augen an. Sein weißes Haar ist
vorn am Kopf von Ohr

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