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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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verlässt.
    Joan blickt ihm aufgelöst nach
und streicht, als er von der Schwärze der Nacht geschluckt wird, betrübt über
die schroffe Rinde der Eiche. „Ich bin des Irischen aber nicht mächtig“,
bemerkt sie trotzig. Denn nur die Gelehrten beherrschen neben Griechisch und
Latein diese dritte europäische Schriftsprache, eine keltische Sprache. Wohl
nicht umsonst, wie sie schwermütig denkt.
    Das große Feuer prasselt,
Funken stieben in den Nachthimmel und mischen sich mit den Sternen. Die Fiedel
hat schon längst wieder ihr Spiel aufgenommen und begleitet die Menschen beim
ausgelassenen Tanz. Joan setzt sich entmutigt am Fuße der Eiche ins Gras
zurück, lehnt sich mit geschlossenen Augen gegen den Stamm und lauscht den
Geräuschen der Nacht. Der Heiler des Dorfes hat all ihre Hoffnungen, mithilfe
des Geistes zu heilen, grausam begraben.
    Sie vernimmt ein Rascheln und
spürt, wie zwei große, warme Hände ihre Handgelenke umschließen. Es sind
Malcoms, wie sie selbst mit geschlossenen Augen erkennt, und sie lächelt ein
wenig versöhnt.
    „Tanz mit
mir, Joan.“
    Sie haben
sich an beiden Händen gefasst und wirbeln ungestüm und atemlos zwischen all den
anderen um das Feuer herum. Malcom lauscht hingerissen Joans hellem,
ungezwungenen Lachen. Ihre Gesichter glühen vom Tanz und der Hitze des Feuers.
Plötzlich geraten sie in ein Gedränge und werden voneinander getrennt. Amál ist
mit einem Male zur Stelle, um nun an Malcoms Statt ihre Hände zu ergreifen. Sie
bemerkt, dass alle ihre Tanzpartner gewechselt haben und lässt sich vergnügt
von Amál herumreißen. Die Fiedel setzt aus, worauf der Tausch von neuem
beginnt. Diesmal war ein Bauernbursche der Schnellste und sie wirbelt mit ihm
lachend herum. Als erneut gewechselt wird, gerät sie an den Captain der
Waffenknechte. Dieser schleudert sie besonders haltlos im Kreise, wodurch sie
sich soeben ermattet schwört, sich beim nächsten Wechsel einfach aus dem Staube
zu machen, als sie erleichtert wieder an Malcom gerät. Er vollführt mit ihr
noch einige Drehungen, um sich dann mit ihr aus dem Kreis der Tanzenden
herausschleudern zu lassen. Sie kommen in der Dunkelheit zum Stehen und
betrachten einander schwer atmend im schwachrot flackernden Feuerschein. Er
hält noch immer ihre Hand. Mit einem geheimnisvollen Lächeln zieht er sie
plötzlich in die stockschwarze Finsternis hinein. Unvermutet prallen sie mit einer
ebenso schwarzen Gestalt zusammen.
    „Ein schönes Fest“, lobt Vater
Isidor, dessen schwarze Kutte ihn nicht von der Dunkelheit abhebt. Sein Gesicht
schwebt auf geisterhafte Weise heran, die blauen Augen blitzen im Schein des
Feuers.
    „Vater.“ Joan ringt atemlos
nach Luft. „Bitte Vater, könnt Ihr mir bei Gelegenheit die Beichte abnehmen?“
    Gefragter hebt überrascht die
Brauen. „Natürlich.“
    „Wann ist es Euch genehm“,
fragt sie eilig, da ihr Malcom ungeduldig die Hand drückt.
    Der Priester zuckt die
Schultern. „Ich bin morgen ohnehin auf Farwick Castle ...“
    „Gut, also morgen“, erwidert
sie noch, bevor Malcom sie auch schon weiter in die Finsternis gezogen hat.
    „Woher weißt du, dass ich dir
einen Grund zum Beichten geben will“, fragt er spöttisch, woraufhin sie ihm
unter Kichern zurechtweisend mit der Schulter anrempelt.
    „Wohin führst du mich“, fragt
sie zurück. Ihre Augen gewöhnen sich ans Dunkel und sie gewahrt den
atemberaubend funkelnden Sternenhimmel über ihnen. Die Rufe und das fröhliche
Lachen der Menschen ebben zusehends ab, bis sie nur noch gedämpft aus größerer
Entfernung an ihr Ohr dringen. Sie werden vom Zirpen der Grillen und dem
allmählich anschwellenden Gequake der Frösche abgelöst. Das Gras raschelt
monoton unter ihren Schritten. Malcom antwortet ihr nicht, geht stattdessen
plötzlich schneller. Schließlich rennen sie über die Wiese und gelangen an den
Weiher, von welchem das nunmehr laute Froschquaken herrührt.
    Malcom nimmt sie mit einem Male
hoch. Sie legt einen Arm um seinen Hals und lässt sich von ihm durch
mannshohes, dichtes Schilf tragen. Dieses weicht dann zu Gunsten eines großen
dunklen Schattens zurück, auf welchem Malcom sie unversehens wieder auf die
Füße stellt. Joan gewahrt, dass sie auf einem flachen Felsstein steht. Durch
ihre dünnen ledernen Schuhe spürt sie dessen Wärme, die er noch von der Sonne
des Tages gespeichert hat. Malcom kommt neben sie auf den Stein. Zu ihrer
Überraschung legt er sich auf den Rücken. Wortlos ergreift er eine

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