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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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er
letzteres verschließt.
    Sie tauscht mit dem Wachmann
unsichere Blicke.
    „Ich weiß nicht“, gibt dieser
zu bedenken, womit er ihr aus ganzem Herzen spricht. Sie hat ein ungutes
Gefühl. Etwas beunruhigt sie.
    „Hol mir eine Fackel“, weist
sie ihn an, woraufhin er zum Turm zurückgeht, dessen Treppenaufgang von
etlichen Fackeln erhellt wird. Sie muss wenigstens einen Blick auf die um
Einlass Bittenden werfen.
    Gerold taucht plötzlich atemlos
neben ihr auf. „Verdammt, ich dachte schon ... Joan, es sind nur ein paar
Bauern. Malcoms Anweisung war eindeutig!“
    „Sie haben ein Recht auf
unseren Schutz“, erwidert Joan grimmig, während sie dem vor sie kommenden
Wachmann die Fackel entwendet. Sie atmet durch, betrachtet beide Männer
eindringlich. „Versucht, etwas von ihnen zu erkennen, wenn ich die Fackel
werfe.“
    Gerold verdreht ungeduldig die
Augen. „Es sind Bauern. Und wir werden sie NICHT einlassen!“
    Unbeeindruckt wendet sich Joan
von ihm ab, holt Schwung und wirft die Fackel weit nach oben über die Mauer
hinweg. Sie klappen drei Laden an, die ihnen nach außen hin Deckung
verschaffen, um zwischen den Zinnen hindurch nach unten spähen zu können. Die
in hohem Bogen fliegende Fackel nähert sich fauchend der Menge, beleuchtet eine
Versammlung von etwa drei Dutzend Menschen, die seelenruhig vor der Fackel
zurückweichen.
    „Allmächtiger“, raunt Gerold
bestürzt.
    „Schotten“, entringt es sich
dem Wachmann keuchend.
    Joan schnürt es die Kehle zu.
Sie haben die Bauern als lebendigen Schutzschild mit sich geführt.
    Bestürzt wenden sie sich erneut
einander zu.
    „Verrammelt das Tor, Männer“,
ruft Gerold unversehens, was Joan gleichsam zusammenzucken lässt.
    „Das Öl siedet bereits“,
bekundet der Waffenknecht, worauf Gerold wie wild gestikuliert.
    „Dann los, bevor sie sich
zerstreuen. Sie könnten unseren Männern einen unangenehmen Empfang bereiten.“
    „Nein! Was geschieht mit den
Frauen und Kindern?“ Joan fürchtet, die Antwort bereits zu kennen. Als sich
Gerold mit unbewegter Miene von ihr abwendet, um sich am Wachmann vorbei in den
Turm zu begeben, wird es ihr zur nüchternen Gewissheit, dass er diese
bedenkenlos opfern will.
    „Das kannst du nicht“, ruft sie
ihm verzweifelt nach, stößt jedoch auf taube Ohren. Der Waffenknecht indes
macht sich teilnahmslos am Fallbaum zu schaffen. Schließlich bezeugt ein
geräuschvolles Schrammen und polterndes Aufsetzen auf dem Pflaster des Tores,
dass es ihm gelungen ist, diesen in seiner Rinne senkrecht nach unten
niederzulassen, so dass der Fallbaum die beiden hölzernen Torflügel hinter dem
Fallgitter sperrt.
    Aufgewühlt streicht sie sich
über die Stirn, erblickt dabei die Reihe der in die Vorkragung eingelassenen,
schräg zulaufenden Gusslöcher, durch die in wenigen Augenblicken siedend heißes
Öl auf die Menschen vor dem Tor niedergehen wird. Insbesondere auf die
unschuldigen Bauern in vorderster Linie. Sie atmet durch. Kurz entschlossen
zieht sie einen der Laden aus dessen beiden Zapfenlöchern, die zu ihr hin durch
waagerechte Rillen offen sind, und wirft ihn achtlos beiseite. Beherzt klettert
sie in das frei gewordene Zinnenfenster, stützt sich auf den Zinnen rechts und
links von ihr ab. Man hat die Fackel aufgehoben, überdies noch weitere an ihr
entzündet, da die List entdeckt wurde, und beratschlagt offenbar, was zu tun
sei. Als die Schotten ihrer ansichtig werden, ertönen anzügliche Rufe.
    „Ich appelliere an eure
Menschlichkeit. Lasst ab von eurem frevelhaften Vorhaben. Zieht in Frieden heim
zu euren Familien, die in Sorge auf euch warten, anstatt Tod und Verzweiflung
über diese armen Menschen hier zu bringen!“
    Auf ihre inbrünstigen Worte
folgt zu ihrer Bestürzung höhnisches Gejohle. „Du gibst uns einen neuen Sinn,
es mit dieser Burg hier aufzunehmen, reizende Schöne“, ertönt eine raue Stimme,
der boshaftes Gelächter folgt. Ein rothaariger, bärbeißiger Schotte blickt
herablassend zu ihr empor.
    „Ihr werdet diese Burg niemals
stürmen.“ Ihr kommen die Tränen. Sie ist mit ganzem Herzen dabei. „Einzig und
allein ist es Leid, das ihr euch und den Leuten hier beschert. Besinnt euch und
kehrt um!“
    „Komm heraus, und wir überlegen
es uns“, ruft der Rothaarige zur lauthalsen Belustigung seiner Männer, was in
Joan mit Hoffnungslosigkeit gemischten Zorn aufkeimen lässt. Der Schotte greift
sich zu ihrer Bestürzung ein Kleinkind, das bisher auf allen Vieren unterhalb
der Brücke

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