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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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und schwingt sich auf sein Pferd.
    „Nein, lasst sie zur Hölle
fahren“, übertönt ihn Malcom, streicht sich mit dem Handrücken über den Mund
und reicht den halbvollen Krug mit Ale an Rupert neben ihm weiter, der einen
tiefen Zug daraus nimmt. „Worauf wartet ihr verdammten Muttersöhne!“ Mit einem
Satz schwingt sich Malcom auf Brix. Seine Männer tun es ihm unter
ohrenbetäubendem Gejohle gleich. Sie tragen keine Plattenharnische über den
Kettenhemden, um gegen die stets nur leicht gerüsteten Schotten nicht zu
schwerfällig zu sein. Eine immense Staubwolke entsteht durch das Stampfen der
ungeduldig schnaubenden Schlachtrosse.
    „Die Tore auf“, brüllt Malcom,
während er seine Männer zum Felsentor führt. Joan blickt ihm mit gemischten
Gefühlen nach. Auch wenn es den Anschein hat, sie könnten den Kampf kaum erwarten,
weiß sie doch, dass sie sich mit ihrem Gebrüll nur gegenseitig Mut machen.
    Sie beobachten, wie der
beachtliche Trupp von über zwei Dutzend Bewaffneten in Windeseile über die
Brücke auszieht, sich zum Kamm hinaufkämpft und auf diesem in gestrecktem
Galopp dahinfliegt, um schließlich die Serpentinen hinab zu nehmen und sich
ihren Blicken zu entziehen.
    „Zieht die Brücke hoch, ihr
Schwachköpfe“, herrscht Gerold die Wachmänner am unteren Tor von den Zinnen aus
an, worauf ihm sogleich Folge geleistet wird.
    „Seht“, ruft Blanche mit nach
vorn ausgestrecktem Arm. „Ihnen kommen Bauern zu Hilfe.“
    Sie beobachten stumm, wie eine
wilde, mit Furken und Äxten bewaffnete Horde Bauern aus dem Dunkel in den
Umkreis des Feuerscheins quillt und sich brüllend auf die Schotten wirft.
    „Vermutlich sah man die
Feuersbrunst bis nach Engedey“, raunt Gerold.
    Mit Bangen verfolgt Joan, wie
sich die Männer schlagen. Sie gehen mit den Eindringlingen alles andere als
zimperlich um. Dennoch kommen sie nicht gegen Schwerter, Streitäxte und
eisenbeschlagene Keulen an, fliehen zusehens zurück ins Dunkel, wo ihnen wer
weiß was geschieht.
    „Wo bleibst du, Malcom“,
fiebert sie.
    Laute Schreie, die von der
Brücke kommen, lenken ihre Aufmerksamkeit vom Kampfgetümmel ab. „Was ist da
unten los?“
    „Bauern, die herein wollen.
Gewiss hielten sie sich im Wald versteckt“, vermutet Gerold gleichgültig.
    „Wir lassen sie ein“, erwidert
Joan bestimmend, legt bereits die Hände an den Mund, um der Brückenwache
zuzurufen, als ihr Gerold Einhalt gebietend die Hand auf die Schulter legt.
    „Auf keinen Fall, Joan! Wir
wissen nicht, mit wie vielen Schotten wir es zu tun haben und wie nahe sie
bereits heran sind. Unsere eigene Sicherheit geht vor.“
    Fuchtig reißt sie sich von ihm
los. „Was hältst du davon, es in Erfahrung zu bringen“, ruft sie aufgebracht,
um sich darauf wie gewohnt die Röcke zu raffen und zum Felsentor zu laufen.
Natürlich greift sie ins Leere, da sie Beinlinge trägt. Sie spurtet los,
gewahrt, dass ihr Gerold fluchend folgt. Doch er kann sie nicht aufhalten. Es
gibt kaum jemanden, der schneller laufen kann, als sie. Joan erwartet nicht,
dass auch nur ein Adliger ihre Beweggründe zu verstehen vermag, denn die
wenigsten fühlen sich mit den Bauern so verbunden, wie sie. Als sie an der
Brücke anlangt, stürmt sie in einen der sie flankierenden Seitentürme, erklimmt
dessen Wendeltreppe bis zum Ausgang auf die Wehrmauer, um nun langsameren
Schrittes auf dem nach außen vorkragenden Wehrgang entlang in Richtung zur
Brücke zu gehen. Atemlos kommt sie genau über dieser zum Stehen, klappt einen
der in zwei Zapfenlöchern drehbar gelagerten hölzernen Laden in einer
Zinnenlücke leicht nach oben und späht keuchend zwischen den Zinnen hinab in
den Burggraben beim Tor. Doch der Mond steht hinter ihr, das Areal vor der Mauer
liegt im Schatten derselben. Vor Dunkelheit erkennt sie nicht das Geringste,
hört jedoch verzweifelte Rufe und das dumpfe Schlagen gegen die Brücke
geworfener Steine.
    „Sind euch die Schotten auf den
Fersen“, fragt sie laut in die Finsternis hinaus. Neben ihr erscheint ein nach
Luft schnappender Wachmann.
    „Lasst uns ein!“ In die Leute
ist offenbar wieder Bewegung gekommen. Laute Stimmen und Rufe lassen auf eine
beträchtliche Menge schließen. Doch sie ist nicht panisch. „Die Schotten fanden
nicht durch den Wald. Lasst die Brücke herunter“, fordert man lautstark. Sie
hört weinende Kinder heraus sowie die angsterfüllten Stimmen von Weibern und
lässt den Laden unschlüssig wieder ins Zinnenfenster zurückfallen, so dass

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