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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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mich ein Kind nicht
überraschen.“
    Blanche legt glucksend einen
Arm um Joans Taille. „Wir werden es ja sehen“, erwidert sie vieldeutig und
reicht Joan die entschalte Nuss.
    Schadenfroh verzehrt sie diese
genüsslich unter dem empörten Gezeter der Dohle.

Ein schottischer
Überfall
    „Joan, wach
auf!“
    Malcom rüttelt eindringlich an
ihrer Schulter, worauf sie benommen in die Flamme eines Talglichtes auf dem
Bettrand über ihrem Kopf blinzelt. Der Bettvorhang ist bereits aufgezogen. Aber
ein Blick zum Fenster verrät die noch stockfinstere Nacht. Diese ist jedoch
alles andere, als ruhig. Dumpfe Schreie, vermischt mit heftigem Hundegebell und
dem nervösen Geblöke von Vieh, dringen an ihr Ohr, wodurch sie alarmiert die
Augen aufreißt. Vom Gang her erklingen aufgeregte Rufe.
    „Joan“, fordert Malcom nun
ungeduldig, während er hastig in seine ledernen Beinlinge schlüpft. „Steh auf.
Ich fürchte, die Schotten fallen soeben über Farwick her!“
    Joan zieht entsetzt die Luft
ein. Nun kann auch sie nichts mehr halten. Eilig springt sie aus dem Bett, um
sich vor die Truhe zu hocken, die ihre Männerkleidung enthält. Sie starrt zur
Pergamentbespannung des Fensters in der Nische herüber, auf der ein roter
Widerschein tänzelt.
    „Joan. Ich habe keine Zeit, mit
dir zu streiten“, bemerkt Malcom, als sie ihre Beinlinge zum Vorschein bringt.
„Du bleibst mit Gerold auf der Festung. Lasst um Himmels Willen niemanden ein.
Die Schotten sind zu nahe. Nicht auszudenken, wenn sie die Burg stürmen.“ Er
begibt sich zur Tür. „Beruhige die Kinder und das Gesinde und mach’ dich bereit,
Verwundete zu behandeln.“
    „Malcom!“ Sie eilt neben ihn,
um ihn zu umarmen. „Gib auf dich Acht. Ich überlebe es nicht, wenn dir etwas
zustößt.“
    Er schenkt ihr einen hastigen
Kuss. „Keine Angst“, erwidert er zerstreut und macht sich von ihr los. Auf ihre
bange Miene hin zieht er sie jedoch noch einmal an sich. „Ich liebe dich,
süßeste aller Frauen“, bekundet er, um grinsend die Tür aufzureißen. „Das lässt
mich immer wieder zu dir zurückkehren.“
    Es kann ihre Besorgnis nicht
schmälern. „Gott schütze dich.“
    Er prallt mit ihrem Vater
zusammen, der aufgelöst im Türrahmen erscheint. „Diese verdammten Hurensöhne“,
hört sie noch dessen dröhnende Stimme, bevor die Tür lautstark gegen den Riegel
des Schlosses kracht. Sie hastet zurück zur Truhe, um nun endlich Beinlinge,
eine viel zu lange grüne Tunika von Malcom und einen wärmenden Gambeson
anzulegen. Überlange Frauenkleider kann sie jetzt wahrlich nicht gebrauchen.
Als sie ihr Schwert gürtet, erscheint Agnes, um sich Roberts anzunehmen.
    „Er schläft“, bedeutet ihr Joan
leise. „Leg’ dich zu ihm ins Bett. Wenn ich euch hier drinnen sicher weiß, ...“
    Agnes legt ihr beruhigend eine
Hand auf die Schulter, worauf sich Joan nickend abwendet und zur Tür hinaus
eilt.
    Auf dem Gang wimmelt es von
Malcoms Rittern, die sich im Gehen fluchend die letzten Kleidungsstücke
überziehen. Joan eilt mit ihnen den Treppenturm hinab. Im Erdgeschoss wenden
sich die Männer der Waffenkammer zu. Joan indes läuft auf den Hof hinaus. Auf
diesem schlägt ihr beißender Qualm entgegen, den ein kalter Nordwestwind mit
sich führt. Neben gaffendem Gesinde haben sich bereits etliche gerüstete
Waffenknechte versammelt, die den Pferdeknechten in einem gespenstischen
Feuerschein, dessen Ursprung außerhalb der Wehrmauer zu liegen scheint, zur
Hand gehen. Fassungslos starren die Menschen über die Zinnen. Joan weist eine
Magd an, heißes Wasser zu bereiten und kommt neben Blanche, die bewegungslos an
der Wehrmauer verharrt und auf Farwick herabblickt. Ein Drittel der
strohgedeckten Häuser steht bereits in hellen Flammen. Dunkler Qualm, vermischt
mit Asche, weht direkt auf die Burg zu. Was sie vor dem Hintergrund der
lodernden Flammen erblickt, lässt sie entsetz die Hände gegen die Wangen
schlagen. Es ist ein Abgeschlachte wehrloser, im Schlaf überraschter Männer, Frauen
und Kinder. Gnadenlos metzeln wilde Gestalten mit schrecklichem Gebrüll jeden
nieder, der ihnen über den Weg läuft. Totes Vieh liegt zahlreich verstreut
umher.
    „Bitte Gott, steh ihnen bei“,
murmelt Blanche. Waffengeklirr in ihrem Rücken bewiegt Joan, sich aufgelöst
nach den Männern umzuwenden, die dem Feuerschein laute Verwünschungen
entgegenschicken.
    „Lasst uns diese verdammten
Kindermörder ihrem Schöpfer entgegenschicken“, ruft Kenneth unter lautem
Gebrüll

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