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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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Sonne ab und hält wieder Ausschau nach Raymond. Robert ist
plötzlich neben ihr. Halt suchend klammert er sich an ihren ledernen Beinlingen
fest. Sie hört noch das eigentümlich schallende Lachen seiner Amme, als das
Licht der Sonne ungewöhnlich stark wird und ihr blendend die Tränen in die
Augen treibt. Ihr verschwimmt der Blick. Allmählich beginnt sich alles um sie
herum wie verwischt zu drehen. Mit einem bestürzten Aufschrei versucht sie
taumelnd, irgendwo Halt zu finden, reißt ihr Kind um und geht auf die Knie. Sie
hört noch Roberts Schreien, als sich ihrer rasende Kopfschmerzen ermächtigen.
Dann spürt sie plötzlich den kalten Felsuntergrund in ihrem Rücken. Jeglicher
Bewegung unfähig taucht ein Schatten über ihr auf, der allmählich die scharfen
Umrisse eines ihr fremden Gesichtes annimmt. Es ist die hässlich verzogene,
wettergegerbte Fratze eines Mannes, der immer wieder auf sie einschlägt. Sie
versucht erfolglos, sich gegen ihn zur Wehr zu setzen, kann sich kaum unter
seinem Griff regen. Blätter wirbeln umher und entblößen für einen kurzen
Augenblick rotes Gestein neben ihr. Das Schreien des Kindes will einfach nicht
abreißen. Er nimmt ein Messer zwischen die Zähne und rafft ihr die Röcke übers
Gesicht, so dass es finster um sie herum wird. Doch sie kann ihr Kind schreien
hören, spürt plötzlich die Kälte des Messers und daraufhin einen wahnsinnigen
Schmerz in ihrem Schritt, der sie gellend aufschreien lässt. Er stößt immer
wieder die Klinge in ihren Leib. Ihr Körper ist ein einziger Schmerz. Sie
schreit, doch es kommt weder Linderung, noch Hilfe. Langsam gleitet sie ab in
betäubende Stille ... und tiefste Schwärze.
    Joan erwacht von ihren eigenen
Schreien. Sie findet sich in Malcoms Armen auf ihrem Bett wieder. Er redet
beruhigend auf sie ein, woraufhin sie versucht, sich zu beherrschen. Seine
Miene drückt ärgste Besorgnis aus und lässt sie schließlich verstummen.
Wimmernd vergräbt sie das Gesicht an seiner Brust. Nur allmählich erreicht sie
so etwas wie Ruhe zurück. Immer wieder kommen die schrecklichen Bilder und die
Erinnerung an diesen Schmerz in ihr hoch. Dabei ist ihr unklar, was genau ihr
geschah. Eines jedoch ist sicher: es war kein Alptraum. Es waren die
Empfindungen eines anderen Menschen, die sich ihrer ermächtigten. Als sie sich
des roten Gesteins entsinnt, bekommt sie eine vage Ahnung. Denn sie kennt es.
    „Joan.“ Seine Stimme ist leise
und traurig. „Mein Gott, was ist bloß in dich gefahren? Du warst wie eine
Furie.“
    Sie hört Roberts Weinen vom
Gang her erschallen, was sie aufgewühlt hochfahren lässt. „Robert. Bitte hol
ihn her“, fleht sie.
    Er atmet durch und nickt,
offenbar ein wenig erleichtert. „Er ist verschreckt“, erklärt er, während er
sich erhebt. „Er weint schon den ganzen Tag.“
    Sie mustert ihn ungläubig. Ein
Blick zum Fenster hinüber bezeugt ihr stockfinstere Nacht. Ein Talglicht auf
ihrem Tisch spendet Licht. Bestürzt streicht sie sich übers Gesicht und blickt
auf, als die Schreie ihres Sohnes nunmehr ungedämpft an ihr Ohr dringen. Malcom
taucht mit Robert auf dem Arm im Türrahmen auf. Sehnsüchtig streckt sie ihrem
Sohn die Arme entgegen, drückt ihn einen Moment darauf maßlos erleichtert an
ihr Herz. Robert beruhigt sich, während sie ihn sanft wiegt. Er schluchzt immer
mal wieder auf, um dann ganz zu verstummen. Sie setzt ihn vor sich aufs Bett,
auf dem er noch kurz herumkrabbelt. Dann legt er sich auf die Seite, steckt den
Daumen in den Mund und schläft erschöpft ein. Malcom nimmt neben ihm Platz,
wobei er ihn fürsorglich zudeckt. Er begegnet Joans Blick. Sie kommt daraufhin
auf allen Vieren um Robert herum und legt den Kopf in Malcoms Schoß. Während er
ihr versonnen durchs Haar streicht, fasst sie sich wieder. Dann atmet sie
durch. „Fiona ist tot.“
    Seine Hand steht plötzlich
still. „Nun erzähl schon“, seufzt er.
    Mit unbehaglichem Räuspern
setzt sie sich auf. „Ich hatte eine Vision, sah, wie sie starb, als wäre ich an
ihrer Stelle gewesen. Ich spürte ihre Angst und ihre Schmerzen. Ein Mann rammte
ihr sein Messer ...“, sie atmet tief durch und befühlt unwillkürlich ihren
Schritt. Es war alles so echt. Doch sie verspürt keine Schmerzen mehr, ist
körperlich unversehrt.
    Malcom hatte sie beobachtet und
macht eine entsetzte Miene.
    „Ich muss sie finden, Malcom.
... Sie hat sich nicht ohne Grund mit mir im Augenblick ihres Todes verbunden.
... Ich vermag es nur noch nicht zu

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