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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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umherkrabbelte und mit einer der kleinen Hände gegen die groben
Steine der Mauer patschte. Während er herausfordernd zu Joan aufblickt hält er
es kopfüber an einem Bein. Die verzweifelt kreischende Mutter des Kindes muss
mit Gewalt von den Bauern zurückgehalten werden. „Sieh her! Komm heraus, oder
ich schmettere es gegen die Mauer!“
    Joan versucht, ihn durch
gleichmütige Nichtbeachtung an seinem Vorhaben zu hindern. In Wahrheit wühlt es
sie bis ins Innerste auf. „Hört mir doch zu“, versucht sie, das wilde Gegröhle
zu übertönen. Tränen ohnmächtiger Verzweiflung bahnen sich ihren Weg.
Unterschwellig gewahrt sie, dass sie am ganzen Leibe bebt. Wie sehr sie doch
der ganzen Grausamkeiten überdrüssig ist! „Ihr sät nur wieder Hass.“ Sie hat
keine Hoffnung mehr, die Bauern retten zu können, noch, dass eines ihrer Worte
auch nur den leisesten Widerhall findet. Verzagt bemerkt sie, wie Waffenknechte
den Wehrgang betreten, zwischen sich einen riesigen, an einen Balken gehängten
Kessel schleppend.
    „Es wird niemals Friede
einkehren, wenn in den Herzen der Menschen der Hass wohnt. Haltet ein und
besinnt euch. Es ist genug Blut geflossen. Ihr wart in der letzten
entscheidenden Schlacht siegreich. Wenn ihr Freiheit und Frieden wollt, so
beginnt endlich, Frieden zu säen“, schreit sie laut heraus und spürt, wie ihr
jemand die Hand beruhigend auf die Schulter legt.
    „Komm Joan. Es ist reine
Zeitverschwendung, an ihre Menschlichkeit oder ihren Verstand zu appellieren.
Du könntest auch mit einer Horde trübsinniger Schafe diskutieren.“
    Sie macht sich fuchtig von
Gerold los. „Nur, dass eine Horde trübsinniger Schafe keiner Menschenseele
etwas zu Leide tun könnte“, entgegnet sie grimmig. Er macht darauf eine
hilflose Geste, so dass die Pfeile im Köcher über seinem Rücken klappern.
    „He, schöne Maid! Du hättest
den Knaben hier retten können“, ertönt wieder die von rauem Gelächter
begleitete Stimme des Rothaarigen. Joan atmet durch und fasst einen Entschluss.
„Du hast Recht, Gerold“, flüstert sie und wischt sich die Tränen weg. Noch
bevor er etwas dagegen einwenden kann, hat sie ihm schon seinen Bogen
entwendet. Seelenruhig entnimmt sie seinem Köcher eine Hand voll Pfeile. Der
Erste von ihnen durchschlägt den Unterarm des großmäuligen Schotten, noch ehe
dieser sein grausames Vorhaben in die Tat umsetzen kann. Das Kind landet
plärrend im Staub.
    „Wage nicht, ihn nochmals
anzurühren, feiger Bastard“, warnt sie ihn erzürnt mit erneut angelegtem Pfeil,
als er nach dem Knaben langen will.
    Der Mann richtet sich mit einem
schmerzverzerrten, unsicheren Grinsen wieder halb auf. Seine Männer beobachten
sein Tun. Er lässt sich vom Feind, obendrein von einer Frau, lächerlich machen.
    „Sie ist die Sith“, dringt von
irgendwoher eine ehrfürchtige Stimme herauf.
    „Lass die Bauern ziehen“,
fordert sie grimmig, bevor er zu weiterem versucht ist. Aus dem Augenwinkel
heraus vernimmt sie Gerolds Handzeichen, das den Waffenknechten das Einsetzen
des Öls bedeutet.
    „Wer verlangt das“, fragt der
Schotte mit herausfordernder Häme.
    Sie nimmt ihn ins Visier. „Dein
schlimmster Alptraum.“
    Mit durchschossener Brust fällt
er über den Knaben.
    „Bauern! An die Mauer“, kann
sie ihnen noch zurufen, bevor auch schon siedend heißes Öl auf alles, was vor
der Brücke kreucht und fleucht niedergeht.
    Das darauffolgende, grauenhafte
Geschrei der Verletzten lässt Joan sich abwenden.
    Die Waffenknechte zielen mit
ihren Pfeilen unerbittlich auf jeden Schotten, der sich davonzumachen versucht.
Man will dem Feind größtmögliche Verluste beibringen, um den eigenen Leuten
einen gefahrlosen Rückzug zu ermöglichen. Dennoch schafft es die überwiegende
Zahl von ihnen zurück in den Wald. Obgleich arg geschunden.
    Mit Jubelgeschrei stellen die
Waffenknechte ihren Angriff ein. Als sie Joans Kümmernis gewahren, verdrücken
sie sich zurück in die beiden Wehrtürme.
    „Komm Joan“, versucht Gerold,
sie zu beschwichtigen. „Sehen wir nach deinen Bauern.“
    Doch
müssen sie feststellen, dass diese mitsamt des Knaben verschwunden sind.
    Joan steht
die Anstrengung ins Gesicht geschrieben. Seit dem Morgengrauen, als Malcom mit
seinen Männern zurückkehrte, ist sie damit beschäftigt, Verwundete zu
versorgen. Und das, obwohl Rian, der Heiler, mit seinen Schülern bereits Hand
angelegt hatte. Kaum einer der sich erfolgreich Geschlagenen kam ohne eine
Verletzung davon, zumeist jedoch

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