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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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Belohnung für ihren
Lerneifer geschenkt. Er selbst unterstützt seinen Bailiff, indem er die Abgaben
der Säumigen mit seinen Männern eintreibt.
    Die Kraft der Natur schwindet
nun zusehends. Altweiberhaar verhängt taubenetzt die kärger werdende
Landschaft. Die Tage sind kürzer geworden. Die Bäume verlieren allmählich ihr
in verschwenderischer Farbenpracht prunkendes Laubkleid im unendlichen
Kreislauf an den modernden Boden. Der erste Raureif überzieht die Landschaft
und zwingt die Menschen, Kamine und Kohlebecken zu entzünden. Joan beorderte
Steinmetze und einen Maurer mit dem Einbau der Kamine in der dritten Etage.
Jeden Tag warten sie fieberhaft auf Nachricht vom königlichen Gericht. Bisher
jedoch vergebens.
    Besorgt blickt sie zu Robert
herüber, der tapsig in Agnes’ geöffnete Arme läuft. Seinem vergnügten
Gequietsche nach scheint ihm nicht kalt zu sein, so dass sie sich beruhigt
wieder der Wehrmauer vor ihr zuwendet. Der Reiter hat den Kamm verlassen und
ist auf dem Weg zur Brücke. Ein klägliches Weinen lässt sie herumfahren. Robert
ist der Länge nach auf den hier felsigen Untergrund geschlagen und vergießt
verbitterte Tränen. Sie weiß, dass es Wuttränen sind, kommt lächelnd auf ihn zu
und nimmt ihn tröstend in die Arme. Als er sich etwas beruhigt hat, vertraut
sie ihn wieder Agnes an. Schallendes Schlagen von Pferdehufen verrät ihr, dass
sich der Bote bereits im Felsentor befindet. Sie richtet sich erwartungsvoll
zum Tor. Blanche eilt aus dem Wohnturm heraus und kommt aufgeregt neben sie.
Der Reiter treibt sein Pferd das letzte steile Stück des Weges zum Hof empor
noch einmal an, so dass es wenig vor ihnen zum Stehen kommt. Der weite Mantel
seines Herrn flattert im Wind, als dieser absitzt.
    „Wer schickt dich“, wendet sich
Joan sogleich an ihn.
    Er nimmt das verschwitzte Pferd
bei den Zügeln. „Ich komme mit Nachricht von meinem Herrn, dem Earl of Dowell.
... Es geht um seine Hochzeit“, antwortet er atemlos.
    Joan bläst etwas enttäuscht die
Luft aus, freut sich jedoch gleichfalls darauf, etwas von Amál zu erfahren. Ein
Stallbursche eilt herbei und nimmt dem Boten das Tier ab.
    „Geh schon voraus in die Halle.
Ich lasse noch schnell nach meinem Gemahl schicken.“
    Er nickt und macht sich auf zum
Wohnturm.
    Sie wendet sich nach Blanche
um, die nachdenklich über die Wehrmauer auf das im nebeligen Dunst liegende Land
blickt.
    „Es soll wohl dieses Jahr nicht
mehr sein“, seufzt diese betrübt.
    Joan kommt neben sie und reibt
ihr versöhnlich die Schultern. „Wir müssen es nehmen, wie es kommt. Vielleicht
erreicht uns schon morgen eine Botschaft aus London.“
    Blanche wendet sich ihr
allmählich zu. Nickend ringt sie sich ein Lächeln ab.
    „Komm. Ich bin gespannt, was
uns der neue Earl of Dowell ausrichten lässt“, meint Joan aufmunternd, wobei
sie Blanche unterhakt.
    Sie gehen auf den Wohnturm zu,
als Joan plötzlich etwas Hartes schmerzhaft am Kopf trifft. Nach einem
erschreckten Aufschrei reibt sie sich verwirrt die Stirn, wobei sie verwundert
Blanches helles Lachen vernimmt.
    „Joan. Sieh doch!“ Blanche
bückt sich nach etwas Rundem vor Joans Füßen und hält ihr daraufhin kichernd eine
Walnuss vor die Nase.
    Mit empört in die Seiten
gestemmten Händen richtet Joan den Blick nunmehr gen Himmel. Eine Dohle sitzt
laut krächzend auf dem hölzernen Wehrgang des Wohnturmes und äugt argwöhnisch
zu ihnen herab. Joan stimmt in das Lachen ihrer Freundin ein, um dann dem Vogel
mit der Faust zu drohen.
    „Das nächste Mal triffst du
bitte wieder den Felsen unter meinen Füßen. Mein Kopf ist nicht zum Nüsse
Knacken gedacht!“ Die Dohle lässt ein verächtliches Krächzen vernehmen.
    Blanche wischt sich die Tränen
aus den Augen, wirft die Nuss zu Boden und tritt mit der Leder beschuhten Ferse
darauf, dass es knackt.
    Agnes kommt lächelnd mit Robert
auf der Hüfte zu ihnen herüber. „Euch wird noch vor Ende diesen Jahres ein Kind
beschieden sein, wie der alte Glaube besagt“, meint sie gespielt geheimnisvoll.
    Joan betrachtet sie verdutzt,
wobei sie sich unweigerlich über den flachen Bauch streicht, was einen erneuten
Heiterkeitsausbruch Blanches zur Folge hat. Sie lächelt daraufhin vergnügt. „Oh
nein, dieses Mal wird wohl nichts daraus. Ich bin so schlank wie nie zuvor ...
und außerdem stille ich noch.“
    „Kein unbedingtes Hindernis“,
bemerkt Agnes trocken.
    Joan hebt abwehrend die Hände.
„Ich würde es bemerken. Glaubt mir. Noch einmal könnte

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