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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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schniefend fortwischt.
„Ich danke Euch von ganzem Herzen. Möge Gott stets mit Euch sein“, äußert sie
mit zaghaft an Joans Schultern gelegten Händen. „Und gebe es Gott, dass sich
Euer Kind nicht auch angesteckt hat.“
    Joan winkt lächelnd ab. „Es ist
durch meine Milch vor den Masern gefeit. Denn auch ich blieb in meiner Kindheit
nicht davon verschont.“ Wie oft hatte sie dies schon zusammen mit Gwen bei
anderen Müttern und deren Säuglingen beobachtet und einen Zusammenhang mit der
Milch vermutet. Denn was sonst verbindet eine Mutter derart mit ihrem Kind?
    Sie wenden sich dem Ausgang zu
und prallen mit Rian zusammen, der auf seinen Stock gestützt gelassen auf der
Schwelle verharrt. Bei seinem würdigen Anblick schlägt Joan das Herz schneller.
Insbesondere, da er sie nicht aus den Augen lässt. Er richtet sich zu seiner
vollen Größe auf und nickt ihr zu. Dann bemerkt sie, dass seine Aufmerksamkeit
nunmehr Leander auf ihrem Arm gilt.
    „Dieses Kind ..., ist es das
deine?“ Seine hellen Augen sind erwartungsvoll auf sie gerichtet.
    „Ich habe es angenommen“,
erwidert sie. In ihrer Stimme schwingt Unsicherheit.
    Rian nickt versonnen, bevor er
sich gemächlich an ihr vorüber zum fiebernden Knaben begibt. Dort nimmt er ein
abgesägtes Horn von seinem Gürtel, dessen weites Ende er über das Herz des
Kindes setzt. An das verjüngte Ende lehnt er ein Ohr und lauscht. Offenbar den
Herzschlägen, wie Joan vermutet. Er lässt ein zufriedenes Nicken erkennen,
bevor er das Horn wieder verstaut und sich Joan zuwendet. „Ich würde ihn in ein
paar Jahren gerne unter meinen Schülern aufnehmen. Er besitzt vielversprechende
Fähigkeiten.“
    Joan ist erstaunt. „Fürchtest
du nicht, ich könne einen unheilbringenden Nutzen daraus ziehen?“ Zu ihrer
Verwunderung erhellt ein einsichtiges Lächeln das Gesicht des Heilers.
    „Was dich betrifft, so bin ich
nunmehr ratlos“, gesteht er. Auf ihre fragende Miene hin, räuspert er sich.
    „Ich sehe, dass der Hass in
deinem Herzen schwindet. Zudem kam mir zu Ohren, was du für deine Bauern getan
hast. ... Nachdem du mit einer friedlichen Einigung scheitertest, wohlgemerkt.“
    Sie bemerkt, dass er ihr
nunmehr freundlich gewogen ist.
    Der Alte lächelt plötzlich
geheimnisvoll. „Wie dem auch sei. Mag sein, dass ich dir doch noch etwas von
meinem Wissen über die Heilkunde zuteil werden lasse.“
    Es lässt Joans Herz höher
schlagen. Weiß sie doch, welcher Berühmtheit sich die druidischen Kenntnisse
auf dem Gebiet der Pflanzenheilkunde erfreuen. Überdies hörte sie von einem
Wissen um das Geheimnis heilender Steine ...
    Rian lässt ein nunmehr beinahe
verstohlenes Räuspern vernehmen. „Vielleicht tue ich es, wenn du mir dein
Ziehkind bringst.“
    „Ein Kuhhandel“, fragt sie
ungläubig, worauf er den Kopf neigt.
    „Wenn du
so willst.“
    Ihr kleiner
Trupp schlägt sich auf versteckten Waldpfaden in Richtung Süden durch. Blanche
saß zuvor noch nie allein zu Pferde und hat entsprechende Schwierigkeiten beim
Reiten. Obwohl man ihr einen Zelter mit der ihm eigenen ruhigen und bequemen
Gangart gab, ist sie nicht im Takt mit dem Tier. Doch auch in Rücksicht auf die
Kinder können sie kein schnelles Tempo anschlagen. Um den Kleinen etwas
Abwechslung zu verschaffen, sitzen Isa und Gabriel immer mal wieder vor einem
anderen der Reiter im Sattel. Joan hält Leander vor sich im Arm, wobei sie
vergeblich versucht, ihn zu beruhigen. Schließlich gibt sie Gerold ein
Handzeichen und ihr kleiner Trupp hält kurz darauf an. „Lasst uns eine Rast
einlegen.“
    Sie stillt Leander auf einem
großen Stein sitzend. Blanche neben ihr hat Stephanie angelegt.
    „Du solltest mit mir reiten,
Blanche“, schlägt Joan ihr murmelnd vor.
    „Sind wir zusammen nicht zu
schwer für deinen Schimmel?“
    „Nein. Wir wiegen zusammen
bestimmt nur wenig mehr, als Nigel.“
    Leander ist satt und vom Saugen
erschöpft friedlich eingeschlafen. Joan nutzt die günstige Gelegenheit, um
seinen Verband zu erneuern. Vorsichtig wickelt sie die Binde ab und untersucht
prüfend seine Verletzung. Die Maden haben bereits seinen halben Augapfel
beseitigt und man erkennt schon rosa schimmernd das sauber freigelegte gesunde
Gewebe dahinter. Es bietet zwar einen grausigen Anblick, doch Joan ist froh
über die präzise Arbeit ihrer kleinen Helfer. Würde sie an ihrer Stelle das
faule Fleisch entfernen, müsste sie die Augenhöhle ausschaben und auswaschen.
Es bestünde die Gefahr, das gesunde Gewebe

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