Die rote Farbe des Schnees
schreit mit erhobenen Ärmchen ganz laut vor
Vergnügen.
Aber es stellt sich als
schwierig heraus, ihn den Tag über bei Laune zu halten. Die Kinder beanspruchen
Joan zur Gänze. Und als die Sonne im Untergehen begriffen ist, weinen sie
schließlich ohne Unterlass. Doch Malcom verlangsamt das vergleichsweise zügige
Tempo nicht mehr. Er will nicht noch eine Nacht neben der Straße verbringen.
Endlich biegen sie an einer
Weggabelung auf eine staubige Seitenstraße ab. Der Wald lichtet sich. Sie
reiten an Wiesen und Äckern entlang direkt in die rötlich untergehende Sonne
hinein. Dann umrunden sie ein größeres Dorf und gelangen erneut in einen Wald.
Nicht lange und er tritt zu Gunsten eines größeren Sees zurück. Joan hält
staunend den Atem an, als sie die stattliche Festung erblickt. Sie hatte diese
nicht halb so schön in Erinnerung. Ihre Fassaden sind mit Kalktünche geweißt,
ebenso die Türme der Wehrmauer. Und sie steht beschaulich auf einem felsigen
Hügel nahe des Ufers im See, in dem sie sich auf der glatt daliegenden Wasserfläche
traumhaft schön widerspiegelt. Eine steinerne Brücke mit sieben kleinen Bögen
verbindet sie mit dem Land.
Malcom hält auf diesen Punkt zu
und verlangsamt schließlich das Tempo. Sie reiten gemächlich über die schmale
Brücke und halten vor deren Ende in Erwartung der Zugbrücke, die bereits
langsam heruntergelassen wird. Als sie laut aufschlägt, wird Joan Amáls
ansichtig, der im Burghof an der Seite einer dunkelhäutigen Frau steht, allem
Anschein nach seiner Mutter. Polternd überqueren sie die Zugbrücke und reiten
schallend ein.
Amál kommt ihnen langsamen
Schrittes entgegen, seine Mutter verfolgt aufmerksam ihren Einzug. Sie ist in
ein kostbares, hellblaues Seidenkleid mit weiten, gezackten Ärmeln gewandet.
Ihre Haut ist noch dunkler, als die Amáls. Ihr rabenschwarzes Haar reicht unter
einem hauchdünnen Schleier, der mithilfe eines schmalen Schapels gehalten wird,
in einem dicken, geflochtenen Zopf bis hinab zur Taille. Ihren wachsamen Augen
scheint nichts zu entgehen. Sie sind von stechendem Blau. Joan ist diese Frau
noch aus ihrer Kindheit bekannt. Doch sie hatte sie nicht annähernd so schön
und beeindruckend im Gedächtnis behalten.
Amál kommt neben Brix. Er nimmt
von Malcom sein Patenkind entgegen und hält seinem Bruder den Steigbügel. „Wir
sind froh, dass ihr endlich ankommt. Wir haben euch schon früher erwartet.“
Malcom lässt sich von Brix
herab. „Wir waren leider verhindert.“
Auf sein Strampeln hin stellt
Amál Robert auf die Füße und beobachtet erstaunt, wie er auf dem Pflaster
umhertappst. Daraufhin empfängt er Malcom mit einer herzlichen Umarmung und
einem begrüßenden Wangenkuss. „Seid willkommen“, raunt er, wobei er ihm gegen
die Schulter schlägt. „Ich hoffe, ihr hattet eine gute Herreise und befindet
euch wohl.“
„Offenbar nicht so wohl, wie
du“, erwidert Joan heiter, während sie aus dem Sattel gleitet.
Malcom grinst über ihre
Bemerkung und wendet sich Amáls Mutter zu.
Amál begrüßt Joan strahlend und
mit offenen Armen. „Ich vermisste bereits deine spitzen Bemerkungen, werte
Schwägerin“, feixt er und entlässt sie aus seiner Umarmung.
Joan mustert ihn grinsend. „Du
siehst gut aus. Nicht mehr so blass im Gesicht“, meint sie, während sie ihm
vieldeutig den kleinen Bauch tätschelt.
Er lacht über ihren Witz. „Ich
habe mich mit Miriam verbündet und nehme ebenfalls zu“, gesteht er.
Sie nickt lächelnd und nimmt
Raymond Leander ab, damit er absitzen kann. „Du tust gut daran. Es lässt dich
ehrwürdiger erscheinen.“
„Ich gebe gewiss mein Bestes,
um die Würde eines Earls auszustrahlen“, bemerkt Amál zerstreut, wobei er
zuerst Leander, dann Raymond und Blanche auf dem Pferd hinter diesem mustert.
Die beiden Männer begrüßen sich Schultern klopfend und Amál zieht ihn in eine
kurze Umarmung. „Welch Ehre, dass ihr euch für uns aus eurem Versteck hierher
gewagt habt, Ray.“
Dieser seufzt. „Percy hat
Wortbruch begangen. Wir waren nicht länger sicher.“
Jemand hinter Joan räuspert
sich vernehmlich. „Hier seid ihr es hoffentlich.“ Joan wendet sich um und kommt
neben ihren Vater. Amáls Mutter steht lächelnd vor ihr an der Seite von John.
Sie ist überraschend klein, vielleicht um eine Haupteslänge kürzer als Joan,
was für eine Frau allerdings durchschnittlich ist. Offenbar ließ sie vorhin
ihre Ausstrahlung größer erscheinen.
„Seid willkommen, Raymond“,
sagt sie
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