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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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Weitere besprechen wir am Feuer.“ Er fasst Raymond ins Auge, der
Joan soeben das Bündel mit dem Säugling überreicht, und zieht die Luft ein.
„Was hat das zu bedeuten“, fragt er sie erschrocken.
    Unter vernehmlichem Durchatmen
betrachtet sie ihn ernsthaft. Beherzt zieht sie ihn daraufhin am Arm von den
anderen weg, um sich außerhalb deren Hörweite gefasst an ihn zu wenden. „Er ist
dein Neffe. ... Ich habe ihn nach seinem Vater Leander genannt.“
    Malcom bläst die angehaltene
Luft aus, stützt die Hände in die Seiten und lacht ungläubig auf. Er lässt sie
dabei nicht aus den Augen. Schließlich beruhigt er sich und späht auf das Kind
in ihren Armen herab. „ER war also der Grund.“
    Sie nickt. „Malcom, er ist eine
verlorene Seele. Wenn wir uns seiner nicht annehmen, können wir ihn auch gleich
gegen einen Stein schlagen“, äußert sie bewegt und hält seiner unergründlichen
Miene stand. „Dein Blut fließt in seinen Adern. Er ist ein Zeichen der
Versöhnung“, versucht sie, ihn weiterhin zu überzeugen.
    Ein plötzliches Grinsen erhellt
sein Gesicht. Es hält an, als er nach unten auf seine Stiefelspitze blickt, die
durch eine dicke Laubschicht über dem Gras furcht, und ihr dann wissend ins
Gesicht sieht. „Er hat dein hasserfülltes Herz erweicht.“
    Sie atmet erleichtert auf und
nickt.
    „Du musst mich nicht
überzeugen“, erklärt er zu ihrer Freude.
    Abschätzend stellt sie den Kopf
schräg. „Nein?“
    Er schüttelt den Kopf. „Wir
nehmen ihn auf. Vielleicht kann ich an ihm wiedergutmachen, was seinem Vater
von meiner Sippe angetan wurde.“
    Sie stürzt ihm freudig um den
Hals und drückt ihn fest an sich. Leander meldet sich daraufhin protestierend,
so dass sie lächelnd von Malcom ablässt.
    „Wenn Ulman ihn jedoch zu sich
nehmen will, stehen wir ihm nicht im Wege“, gemahnt er sie eindringlich, was
sie mit einem gleichgültigen Nicken abtut. Denn sie kann sich nicht vorstellen,
dass dies einmal geschehen könnte.
    „Warum trägt er denn einen
Verband“, fragt er nachdenklich.
    „Seine rechte Gesichtshälfte
wurde verletzt. ... Ich nehme an, von dem verfluchten Bauern, der seine Mutter
grausam tötete.“
    „Du kennst den Täter?“
    „Ja. Man kann ihn nicht
belangen. Er verging sich lediglich an einer Verräterin, die wie eine
Gesetzlose lebte.“
    Malcom nickt. „Ist sein Auge
verletzt?“
    Sie atmet schwermütig durch.
„Ja. Er hat nur noch eines.“
    Er blickt sie abwägend an, legt
dann einen Arm um ihre Schultern und geleitet sie in Richtung zum Feuer. „Er
wird nie auf einem Schlachtfeld kämpfen können.“

Asyl auf Dowell
Castle
    Sie sind
nun schon den zweiten Tag zusammen unterwegs und kommen nur schleppend langsam
voran. Doch die Grenze zum North Riding haben sie längst überschritten, was
alle ein wenig froher stimmt.
    Joan ist im Hinblick auf die
Kinder über die mildere Witterung dankbar. Im Gegensatz zu ihren nördlicheren
Verwandten haben hier die Bäume ihr Laub noch nicht abgeworfen und prunken in
den buntesten Farben. Blanche sitzt wieder im eigenen Sattel und ist bemüht,
sich gegen ihr Pferd durchzusetzen, das immer wieder hartnäckig versucht, vom
Gras am Wegesrand zu fressen.
    Joan kommt neben Malcom.
„Werden wir noch eine Nacht im Freien verbringen?“
    Er nickt. „Ich rechne damit,
dass wir nicht vor morgen Abend in Dowell eintreffen.“ Robert vor ihm jauchzt
laut auf und blickt staunend einem Eichhorn nach, welches das Pflaster der
Straße vor ihnen überquert und geschwind auf einen Baum klettert. Als es außer
Sicht ist, streckt er die Ärmchen nach Joan neben ihm aus und beginnt, zu
quengeln.
    So zieht sie ihn kurzerhand vor
sich aufs Pferd, und er gibt Ruhe. Als sie sich jedoch wieder neben Raymond
zurückfallen lässt, zappelt er unruhig.
    „Er will runter“, bemerkt
Raymond.
    Sie nickt, wobei sie lächelnd
ihren Vater betrachtet, der Leander sanft auf einem Arm wiegt. Fürsorglich
versucht er, den Kleinen daran zu hindern, sich den störenden Verband vom
Gesicht zu ziehen. Ihr selbst hatten die Arme vom vielen Halten des Kindes
geschmerzt, bevor er ihr Leander wortlos abnahm.
    Als er ihren Blick bemerkt,
zieht er herausfordernd eine Augenbraue hoch. „Der arme Wurm dauert mich eben“,
rechtfertigt er sich.
    Sie grinst nur schweigend und
lässt sich bis ans Ende ihrer Truppe zurückfallen. Dann treibt sie ihrem
Schimmel die Hacken in die Seiten, worauf dieser wieder nach vorn an die Spitze
des Zuges galoppiert. Robert indes

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