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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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nehmen kann.
    „Er sorgt offensichtlich gut für
dich“, scherzt Amál, wobei er ihr eine große Scheibe weißen Brotes mit einer
großzügigen gelben Käseecke obenauf vor die Nase legt.
    Joan stöhnt auf vor Entzücken
und beginnt, beides hinunter zu schlingen. Als sie die Stille der Drei bemerkt,
blickt sie Awin direkt ins bestürzte Gesicht. Amál grinst, währenddessen Miriam
unsicher zu seiner Mutter hinüber sieht.
    „Entschuldigt meine
Tischmanieren“, spricht sie mit vollem Mund aus, worauf sich Awin verärgert
zeigt und missfällig mit der Zunge schnalzt, was ihr das Interesse des Affen
auf ihrem Arm einbringt. „Aber ich habe einen Hunger, den nur stillende Mütter
verstehen.“
    „Ich habe tatsächlich ein
besseres Benehmen von dir erwartet“, bemerkt Awin zurechtweisend, wobei sie das
quirlige Äffchen von sich wirft, dass dieses geschickt im Bodenstroh der Halle
landet. Die Hunde begegnen dem Tier wie einem unzurechnungsfähigen Kleinkind,
verziehen sich vor ihm mit eingekniffenen Schwänzen.
    Joan zuckt gleichgültig die
Schultern. „Ich bin meines Vaters Tochter“, erwidert sie, während sie sich
weiterhin ungeniert den Mund stopft.
    „Mon Dieu“, ruft Awin
erschrocken und starrt auf ihre geblähten Wangen, als wenn sie fürchte, sie
würde ihr Frühstück nicht im Mund behalten können und alles gleich wieder
ausspucken. „Selbst Rhesos hat bessere Manieren bei Tisch. ... Ich sehe, ich
habe bei dir einiges vor mir.“
    Joan runzelt die Stirn als sie
begreift, dass mit Rhesos nur der Affe gemeint sein kann, kaut und schluckt
resolut. „Gib dir keine Mühe. Bei uns im rauen Norden würde ich durch bessere
Tischmanieren nur unangenehm auffallen.“
    Amál streicht sich über den
Mund, um sein Grinsen zu verwischen.
    „Oh Joan, welch eine
Verschwendung. Du bist wie ein rohes Juwel, das auf seinen Schliff wartet“,
schwelgt Awin mit einem scheinbaren Hauch von Mitgefühl.
    Joan lacht und verkneift sich
ihr zuliebe einen lauten Rülpser. „Du irrst. Ich warte nicht darauf“, erwidert
sie mit unschuldigem Lächeln.
    Awin öffnet sprachlos den Mund
und blickt ihren Sohn Hilfe suchend an.
    Dieser hebt jedoch abwehrend
die Hände. „Du würdest dir an ihr nur die Zähne ausbeißen“, bemerkt er heiter.
„Äußerlich ist sie mit einem Juwel zu vergleichen, ihr Verhalten jedoch kommt
dem eines üblen Haudegens gleich.“
    Joan zieht die Augenbrauen
zusammen. „Ihr seid die ersten, die etwas an meinem Verhalten bemängeln“, ruft
sie grimmig.
    „Dann umgaben dich bisher
offensichtlich noch nie Menschen mit gepflegten Umgangsformen“, antwortet Awin
brüskiert, um sie dann tatsächlich mitleidig anzublicken.
    Leander auf Joans Arm quengelt,
doch sie ist froh über die Ablenkung. Rührselig wendet sie sich ihm zu und
wiegt ihn. Dabei wirft sie Miriam einen gequälten Blick zu und zieht mit
rollenden Augen eine Grimasse.
    Deren Mundwinkel verziehen sich
zu einem Lächeln, welches sie jedoch zu Joans Erstaunen gleich wieder zu
unterdrücken weiß, um abwesend auf ihre vor sich auf dem Tisch gefalteten Hände
zu starren.
    „Miriam, du siehst schlecht
aus“, stellt Joan nachdenklich fest und blickt ihr auf den mächtigen Bauch.
    Diese nickt. „Die
Schwangerschaft bekommt mir nicht, Joan.“
    „Warum?“
    „Ich spucke mir die Galle aus
dem Leib.“
    Joan wiegt den Kopf. „Vielen
Frauen bleibt das nicht erspart.“
    Miriam schüttelt den Kopf. „Bei
mir ist es anders. Schlimmer. Ich behalte nichts bei mir, habe oft
Fieberanfälle, Schüttelfrost und schreckliches Herzrasen. Am Ende bekomme ich
kaum noch Luft.“
    Joan betrachtet sie grübelnd.
„Ich könnte dir etwas gegen die Übelkeit geben. Es wirkt nebenbei kräftigend.“
    „Sie ist bereits in besten
Händen“, wendet Awin ein.
    Joan wendet sich ihr
stirnrunzelnd zu. „Den Eindruck erweckt sie aber nicht.“
    Awin winkt ab. „Das macht der
Aderlass. ... Miriam ist etwas zart besaitet und verkraftet die Anstrengungen
schlecht.“
    Joan reißt alarmiert die Augen
auf. „Sagtest du ADERLASS?“
    „Gewiss. Es ist ein
segensreiches Verfahren, das man auch in meiner Heimat kennt.“
    Joan richtet sich bestürzt an
Amál. „Entweder, ihr seid an einen Pfuscher geraten oder in einen Komplott. Man
will womöglich verhindern, dass ihr einen Erben bekommt.“
    Er blickt sie verständnislos
an. „Wovon redest du?“
    „Auch wenn mir nicht viel über
Komplikationen in der Schwangerschaft bekannt ist, ... ein Aderlass ist

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