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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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Kriegsgeschehen zurückgezogen hat. Dann geht ihr
auf, dass er es vielleicht gar nicht für sich selbst haben will. „Wann ist
eigentlich euer großes Fest?“
    „Morgen“, erwidert Miriam und
schenkt Amál ein glückliches Lächeln. Die beiden tauschen rührselig verliebte
Blicke.
    Joan lässt sie allein mit sich
und visiert Agnes an der Tafel an. Diese ist in ein angeregtes Gespräch mit
Ellinor vertieft, welche Stephanie auf dem Arm wiegt. Als sie Joan neben sich
gewahrt, blickt sie erwartungsvoll zu ihr auf. Sie erhebt sich und nimmt ihr
Leander lächelnd ab. „Das Nusskind. Mit dir hatte ich noch nicht das
Vergnügen.“
    Sie tauschen belustigte Blicke.
Joan ist erleichtert, dass sie keine Vorbehalte gegen ihn hat, worauf sie sich
sogleich über sich selbst wundert. „Um den Verband kümmere ich mich. Ich
glaube, seine Windeln sind voll“, gibt sie Agnes zu verstehen, die daraufhin
Leanders Hinterteil an ihre Nase führt und lacht.
    „Und ob. ... Ich werde trotzdem
versuchen, ihm meine Milch anzudrehen. Andernfalls zerberste ich noch.“
    „Oh, er hat immer Hunger. ...
Ich bin draußen bei den Ställen, falls du mich suchst.“
    Joan kehrt der Halle den Rücken
zu und nimmt die Holztreppe zum Erdgeschoss hinab. Auf dem Hof angelangt, blickt
sie sich suchend nach den Stallungen um und schlägt die Richtung ein, aus der
Gewieher erklingt. Es kommt jedoch nur von einem Pferd, welches gerade vom
Schmied frisch beschlagen wird. Sie wendet sich an den Stallknecht, der das
Tier ruhighält und ihr freundlich die Richtung weist. Der Hof ist riesig, ihre
Schritte hallen von den Wirtschaftshäusern wieder, die sich an die Wehrmauer
schmiegen. Der Wehrgang der Mauer ist unbemannt, die Zugbrücke
heruntergelassen. Man scheint hier niemanden zu fürchten. Keinen durchtriebenen
Grafschaftsearl oder mordlüsterne Schotten. Sie hält einen Augenblick auf dem
friedlich daliegenden Hof inne und lässt sich die warme Herbstsonne ins Gesicht
scheinen. Als sie das unruhige Schlagen von Pferdehufen und lautes Schnauben
vernimmt, reißt sie erschreckt die Augen auf. Ein gewaltiges schwarz weiß
geschecktes Schlachtross, das übermütig ausschlagend über den Hof auf sie
zugetrabt kommt, stört ihre Ruhe. Ebenso diejenige einer Schar verängstigter
Hühner, die der Hengst spielerisch aufscheucht. Er beschleunigt daraufhin
abrupt und fegt auf das Tor in ihrem Rücken zu.
    „Geh zur Seite, Mädchen“, ruft
eine entsetzte Stimme.
    Joan will sich ihr
widerstandslos fügen. So geht sie aus dem Weg und blickt auf die schmale
Brücke, über die das mächtige Tier in wenigen Augenblicken galoppieren wird.
Ein Alter mit einem großen Schubkarren voll Heu bewegt sich mitten auf ihr und
versperrt den Weg. Sie wendet sich hastig wieder nach dem Pferd um, welches sie
nur noch wenig entfernt vor sich gewahrt. Joan ist nicht so lebensmüde, sich
ihm in den Weg zu werfen. Vielmehr will sie seine Aufmerksamkeit erregen. Mit
der Zunge schnalzend streckt sie mit eindringlichem Blick einen Arm nach ihm
aus. Das herrliche Tier wirft neugierig den Kopf zur Seite, wobei es erneut
nach hinten ausschlägt. Joan schnippt mit den Fingern und bewundert das Ross
ehrfürchtig, als es an ihr vorüber springt.
    „He, wohin willst du“, fragt
sie es mit ruhiger Stimme, worauf das Pferd unter lautstarkem Wiehern in einem
großen Halbkreis in ihre Richtung zurückwendet. Es kommt bockend auf sie zu,
steigt kurz vor ihr protzig auf die Hinterbeine und rudert mit den Vorderläufen
durch die Luft. Joan weicht zur Seite und der Hengst setzt lautstark wiehernd
neben ihr auf dem Pflaster auf. Unbeeindruckt streckt sie mit beruhigenden
Worten die Hand nach seinem Kopf aus. Das Tier beäugt sie unruhig tänzelnd.
Allmählich wird es jedoch ruhiger, bis es dann still vor ihr steht und sie
aufmerksam anblickt. Ein paar mal zuckt es noch mit dem Kopf zögernd vor ihrer
Hand zurück. Dann lässt es sich von ihr die Stirn streicheln.
    „Bist du deinem Herrn
ausgerissen? Du willst wohl raus, bei dem herrlichen Sonnenschein, was? ... Ich
kann dich gut verstehen. Vielleicht machen wir zusammen einen Ausflug, was hältst
du davon?“
    „Ich jedenfalls nicht viel“,
ertönt eine volle Stimme neben ihr, worauf der Hengst wieder unruhig den Kopf
erhebt. Ein Mann fortgeschrittenen Alters betrachtet sie verschmitzt mit
braunen Augen. Er streicht sich über den grauen Schnurr- und Kinnbart. Sein
volles Haar reicht ihm schlohweiß in einem Zopf bis auf den Rücken. Er ist
einen

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