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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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eingerichtet. Wandbehänge mit Wildtieren als
Motiv zieren großzügig die bis auf Mannshöhe bunt bemalten Wände. Es besitzt
zwei Fenster über Eck. Eines davon ist, wie in Kemenaten beliebt, als kleine
Fensternische mit kurzen Seitenbänken ausgeführt. Sie geben einen Blick auf den
nun im Mondschein liegenden, in zarten Nebel gehüllten See und die Brücke sowie
auf den Hof frei, wenn man die durchscheinenden Pergamentbespannungen davor
hochhebt. Neben ihrem Bett schläft Robert tief und fest in einem Kinderbett,
welches hübsches Schnitzwerk ziert. Auf einer Truhe neben dem Bett befindet
sich ein großer Krug mit Wasser, auf einem kleinen Tisch unter den Fenstern
eine irdene Schüssel. Sie ist ebenfalls mit Wasser gefüllt, auf welchem weiße
Rosenblüten schwimmen. Daneben wurde auf weichen leinenen Handtüchern ein Block
Seife bereit gelegt, der Lavendelduft verströmt. Dieser mischt sich mit dem
süßlichen Geruch von Waldmeister, dessen trockenes Kraut in die Fensterbänke
gelegt wurde, mit weiteren duftenden Kräutern, die auf den Dielen verstreut
umher liegen, sowie mit dem Aroma der drei Bienenwachskerzen auf dem
Tischleuchter. Der knisternd brennende Kamin ströhmt eine willkommene Wärme
aus.
    Joan kuschelt sich wohlig in
die weiche Decke und schließt die Augen.
    „Du wirst doch wohl nicht vor
dem Abendmahl einschlafen“, bemerkt Malcom hämisch. Träge öffnet sie daraufhin
die Augen und sieht ihm dabei zu, wie er seine staubige Reisekleidung ablegt.
    „Am liebsten schon“, antwortet
sie gähnend.
    „Wenn Awin sehen könnte, dass
du mit deinen verdreckten Kleidern auf dem frischen Bettzeug liegst, würde sie
dir gehörig die Leviten lesen.“ Er geht zur Waschschüssel hinüber, aus welcher
er die Rosenblüten grob herausfischt, um dann seinen Kopf ins Wasser zu
tauchen. Daraufhin zieht er ihn triefend nass wieder heraus und wäscht sich
Gesicht und Oberkörper.
    „Ich bewundere deinen
Tatendrang“, erkennt sie gähnend an.
    Er kommt tropfend nass an sie
heran, während er seine losen Haare zusammen nimmt, mit denen er ihr dann das
Gesicht beträufelt. Sie versucht es erfolglos mit den Händen abzuwehren und
kommt schließlich verärgert hoch.
    Er küsst sie versöhnlich. „Du
schmeckst nach Schweiß.“
    Mit einer ohnmächtigen Geste
gibt sie klein bei. „Schon gut. Ich habe verstanden.“ Schwerfällig erhebt sie
sich, um sich zu entkleiden. „Ich vernahm noch nie zuvor solch herrliche Düfte
in einem Gemach“, sinniert sie. „Awin ist wohl sehr auf Reinlichkeit bedacht.“
    Er lacht. „Ja. Du solltest ihr
lieber nicht mit dreckigen Nägeln unter die Augen kommen“, antwortet er, indes
er in der Truhe nach sauberer Kleidung wühlt.
    Sie nickt. „Ist das höfisch?“
    „Nicht unbedingt“, erwidert er
und streift sich nach einem Leibhemd eine frische Tunika aus himmelblauem
Samttuch über. „Sie ist Sarazenin. In ihrer Heimat geht alles etwas gesitteter
und gepflegter zu. Lange Zeit hatte sie vergeblich versucht, damit Einfluss auf
uns Barbaren zu nehmen.“
    Joan ist erstaunt. Galten doch
stets die Heiden als primitive Barbaren, zu deren Tötung in den Kreuzzügen als
Christenpflicht aufgerufen wurde. Letzteres allerdings empfand Joan immer schon
als barbarisch. „Aber sie hat es offensichtlich dennoch vermocht“, nimmt sie
ihr Gespräch wieder auf.
    Er nickt. „Ihre Geduld ist
grenzenlos, ihre Nachsicht jedoch nicht.“
    Joan seufzt und verharrt
unschlüssig vor der Waschschüssel mit dem eiskalten Wasser.
    „Du bist doch sonst nicht
derart zimperlich“, feixt er.
    Sie zieht ungehalten die
Augenbrauen zusammen und greift zu einem kleinen Tuch, das sie ins Wasser
taucht und dann fröstelnd über ihren Oberkörper führt. Seine übertriebene
Reinlichkeit Awin zuliebe ärgert sie.
    Malcom kleidet sich fertig an
und legt sich neben Leander aufs Bett. Er betrachtet dessen kleines Gesicht.
„Er sieht seinem Vater sehr ähnlich“, stellt er fest. Plötzlich stutzt er.
„Joan, er stinkt entsetzlich. ... Und was ist das hier?“ Er fährt hoch, wobei
er ungläubig auf das schlafende Kind herab starrt. „Auf seinem Gesicht winden
sich Würmer“, ruft er und blickt sie entsetzt an.
    „Oh. Sie werden endlich seinen
fauligen Augapfel verzehrt haben und verspüren Hunger“, bemerkt sie trocken,
während sie die Wirkung ihrer Worte auf ihn auskostet. Indes sie sich
abtrocknet, kommt sie ans Bett heran und beugt sich über Leander. „Ja, jetzt
sehe ich sie auch. Tut mir leid Freunde,

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