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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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greift an, wie ihr der Sinn
steht. Zwecklos, seine eigenen Kombinationen gegen ihn selbst verwenden zu
wollen. Joan verfällt wieder in Malcoms Kampftechnik. Sie ist sicherer
geworden, bewegt sich fließender, beinahe spielerisch leicht. So, wie eben noch
durch ihn. Nichts von dem hat sie vergessen, erinnert sich dieses beflügelnden
Gefühls, welches sie durch ihn gewann. Er unterbricht ihren Rhythmus, ist
plötzlich atemberaubend schnell. Sie versucht, keine Fehler zu machen,
konzentriert sich auf seine Hände, Arme und Beine als Ziel. Denn bedeutendere
bietet er ihr nicht.
    Sie durchschaut nicht mehr, was
er vorhat und pariert blitzschnell. Doch nicht weitsichtig genug. Überrascht
spürt sie, wie er ihr das Schwert aus der Hand hebelt. Es schwirrt singend
durch die Luft, bevor Ulman es gekonnt auffängt. Er betrachtet es einen
Augenblick und wiegt es abschätzend in der Hand.
    „Gutes Schwert“, bemerkt er
schwer atmend.
    Joan rinnt der Schweiß brennend
in die Augen. Vorsichtig streicht sie mit den Eisenringen ihres behandschuhten
Handrückens darüber weg. Ihr fehlt noch der Atem für eine Entgegnung.
Hintergründig vernimmt sie lauten Beifall.
    Ulman kommt nah heran, um ihr
das Schwert zurück zu reichen. Sie nimmt es entgegen und bemerkt sein Lächeln.
    „Wenn du weiterhin derart
schnell lernst, kann ich dir am Ende der Woche nichts mehr beibringen.“
    Sie reißt die Augen auf. „Ist
das ein Angebot?“
    Er lacht, zuckt dann jedoch
gleichgültig die Schultern. „Warum nicht?“
    Sie nickt. „Ja, warum nicht“,
holt tief Luft und stützt ermattet eine Hand in die Seite. „Kämpfst du oft mit
dem zweiten Blick?“
    Er schüttelt den Kopf. „Es war
mein erster Versuch“, entgegnet er und mustert sie. „Du hast dich geöffnet.“
    „Ja. Ich war neugierig, wie
du.“
    Er lächelt und beugt den Kopf
vor ihr.
    Sie tut es ihm gleich. „Es war
mir eine Ehre, auch dich ins Schwitzen gebracht zu haben“, meint sie
verschmitzt, woraufhin er sich grinsend den Schweiß von der Stirn wischt, um
sich dann zur Siegerbank umzuwenden.
    Insgeheim ist Joan froh darüber,
heute nicht mehr fechten zu müssen. Sie ist am Ende ihrer Kräfte. Nie hätte sie
es für möglich gehalten, so weit zu kommen und ist mehr als zufrieden.
    Erschöpft lässt sie sich auf
eine der fellbedeckten Bänke mit den ausgeschiedenen Wettstreitern neben Amál
sinken. Ein Knappe hängt ihr fürsorglich eine Wolldecke um die Schultern.
    „Joan. Wer hat dir beigebracht,
so zu fechten? Es sah zuerst so aus, als wäret ihr ebenbürtig.“ Amál betrachtet
sie nachdenklich.
    Joan fühlt sich plötzlich in
arger Erklärungsnot. Wieder einmal wird sie für die Verwendung des zweiten
Blickes gestraft. Doch sie bereut nicht, ihn benutzt zu haben. Ohnmächtig zuckt
sie die Schultern. „Er übt mit mir“, lügt sie.
    Amál mustert sie forschend.
Dann kann er sich ein Lachen nicht verkneifen. „Wie hast du ihn dazu gekriegt?“
    „Nun, ... wie dich.“
    Ein
zweimaliger Hornstoß beendet die Runde und fordert zum erneuten Ziehen der Lose
auf. Nur vier Männer sind noch übrig, um gegeneinander anzutreten. John
verkündet die Kontrahenten. Zuerst Malcom gegen einen gewissen Alexander, einem
Neffen Timothys. Dann Shepherd gegen Ulman. Joan betet, sie mögen sich beeilen.
Andernfalls kann sie dafür garantieren, eingeschlafen von der Bank zu rutschen.
    Alexander
hielt sich wacker gegen Malcom, rückte ihm sogar gefährlich zu Leibe und
versetzte ihm zum lauten Schrecken der Damen einen Streich über den
ungeschützten Oberschenkel. Dennoch war es ihm nicht von Nutzen. Der Wettstreit
endete mit seiner Niederlage.
    Joan beobachtet beunruhigt, wie
sich Malcom auf der Siegerbank sitzend übers Bein fährt, um sodann seine Hand
blutverschmiert hervorzuziehen. Sie erhebt sich und geht zu ihm hinüber. Er
blickt ihr nachdenklich entgegen.
    Sie hockt sich neben ihn. „Ist
es schlimm“, fragt sie besorgt und betrachtet sein Bein.
    Er schüttelt den Kopf, lässt
sie jedoch nicht aus den Augen. „Was ging da vor sich“, fragt er misstrauisch.
„Du kämpftest mit seiner Technik.“
    Sie blickt ihn bestürzt an.
    Es reicht, um seinen Zorn zu
erregen. „Erklär’s mir“, fordert er aufgebracht. „Wann hat er dich das
gelehrt?“
    Sie schluckt unbehaglich. Warum
nur hat sie sich dazu verleiten lassen, wieder besseren Wissens mit dem zweiten
Blick zu sehen! Nun bereut sie es doch. Es kommt ihr Malcom gegenüber wie ein
herber Vertrauensbruch vor.

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