Die rote Farbe des Schnees
uns damit das Leben schwer machten und ein Irrtum den
nächsten jagte. ... Du zweifeltest an mir, wolltest dich nicht länger mit mir
einlassen, wenn ich dich erinnern darf.“
Er bläst die Luft aus, um dann
einsichtig zu nicken. „Zugegeben. Ich hatte ebenfalls Schuld. ... Doch was
treibt dich JETZT um?“
Sie blickt an ihm vorbei auf
den See hinaus. „Eine ungeklärte Geschichte aus meiner Vergangenheit. ...
Wieder einmal. Doch sie vermag nichts an meiner Liebe zu dir zu ändern.“
Er stellt sich ihr ins
Blickfeld. „Genau da bin ich nicht sicher.“
„Warum?“
Sein Blick ruht auf ihr. „Ich
bemerkte, wie du ihn ansahst, als er dir dieses verfluchte Lied vorspielte.“
Sie mustert ihn wachsam. „Du
bist eifersüchtig“, stellt sie fest.
„Ist es mir zu verdenken“,
fragt er aufbrausend.
„Du warst es nicht bei Amál.“
Er fährt sich gemäß seiner
Gewohnheit aufgebracht durch die Haare, legt dann den Kopf kurz in den Nacken
und fasst sie wieder ins Auge. „Mit Amál konnte ich mich ohne weiteres messen.
Ulmans Liebesgesängen jedoch habe ich nichts entgegenzusetzen. Ich verstand
noch nie viel von der Minne. Und durch eben diese scheint er bei dir Fuß zu
fassen. Diesen Gesängen gegenüber bin ich machtlos. Ich begreife nicht, wie er
dich damit verhexen konnte.“
„Er vermochte mich nicht zu
verhexen. Durch das Lied offenbarte er sich mir. Meine Zuneigung hat er schon
seit Jahren.“
Er atmet durch und stützt die
Hände in die Seiten. „Nichts, das mein Misstrauen schmälern könnte.“
Sie schweigen sich einen schier
endlosen Augenblick an.
„Wie stellst du dir das vor?
Soll ich ihm schon mal einen Platz in unserem Bett freimachen?“
Sie versetzt ihm eine
schallende Ohrfeige, bei der sie einen Schmerzensschrei unterdrückt. In ihrer
verletzten Hand pocht der Schmerz.
Mit mühsamer Beherrschung
wendet er sich von ihr ab und blickt schweigend über den See.
„Er wird gehen, sobald du ihn
entbehren kannst“, erklärt sie fester Stimme.
Malcom lacht gequält auf. „Was
soll ich mit einem Eheweib, das auf ewig einem anderen hinterher trauert?“ Er
wendet sich zu ihr um. „Ich will dich nicht nur zur Hälfte, Joan.“
Sie nickt. „Ich gehöre nur dir,
sei versichert.“
„Offenbar nicht mehr mit ganzem
Herzen“, wendet er ein, was sie weder bejahen, noch verneinen kann. Er bedenkt
ihre schuldige Antwort mit ohnmächtigem Kopfschütteln.
Sie versucht, ihre Gedanken zu
sammeln, atmet gefasst durch. „Versteh doch. Ich bin zurzeit lediglich
verwirrt, weil ich auf eine alte Liebe stieß und erfuhr, dass mir die gleichen
Gefühle entgegengebracht werden. Du musst dich daran gewöhnen, dass das
schwarze Schaf der Familie jemand ganz besonderes für mich ist. Ich werde ihn
weder einfach vergessen können, noch ihn abermals berühren.“ Insgeheim betet
sie, bei letzterem standhaft zu bleiben.
Er lässt ihre Worte auf sich
einwirken und nickt schließlich. „Damit kann ich leben. Doch wisse: wenn mehr
daraus werden sollte, als schmachtende Blicke, kann ich nicht länger zu dir
stehen, ohne meine Selbstachtung zu verlieren. Ich würde einen Weg finden, um
unsere Ehe zu annullieren ... und Robert mitnehmen.“
Sie schluckt. Seine Drohung hat
die beabsichtigte Wirkung nicht verfehlt. Nicht einen Augenblick zweifelt sie,
dass er sie wahr machen würde. Denn mittlerweile weiß sie aus leidlicher
Erfahrung um seinen schnell verletzbaren Stolz, das Werk Sibylls. Doch
schwerwiegender wäre, dass sie ohne Malcom und Robert nicht leben könnte. Bereits
beim bloßen Gedanken daran schnürt es ihr die Kehle zu, wenngleich sie nicht
beabsichtigt, Ulman nachzugeben. Sie blickt hinab auf ihre schmerzende Hand,
die wieder zu bluten begonnen hat, und nickt zum Zeichen, dass sie verstanden
hat. Dicke Blutstropfen perlen in den Schnee hinab und hinterlassen purpurne
Löcher im eisigen Weiß.
Weihnacht
Die
festliche Weihnachtstafel ist aufgehoben. Die Carolsinger mit ihrem
wechselseitigen Gesang, von im Kreis aufgeführtem, halsbrecherischen Tanz
begleitet, haben sich zurückgezogen. Desgleichen die Gaukler und Artisten,
welche sie mit ihren Scherzen und erstaunlichen Kunststücken unterhielten. Bis
noch soeben hatten Malcom und Amál mit einigen ihrer Ritter sowie Awin auf
überraschende Veranlassung letzterer und zu ihrer aller Belustigung ein
Verkleidungsspiel aufgeführt, in welchem die Rollen von Mann und Frau nebst
deren Gewändern vertauscht wurden. Nicht nur Joan hatte es beim Anblick
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