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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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auf Farwick
Castle getötet?“ Sie strauchelt, da sie kein Gefühl mehr in den eiskalten
Beinen verspürt.
    Beflissen kommt er an ihre
Seite, um sie zu stützen. Seine Nähe ist ihr kaum erträglich.
    „Henry bat mich darum. Er
wusste sich keinen anderen Rat mehr.“
    „Hättest du auch mich
ermordet?“
    Sein vorwurfsvoller Blick
gereicht ihr zur Antwort. Sie erinnert sich an den Hass, den er damals
versprühte und dass dieser nun wie weggefegt scheint. Obwohl sie ihm dies
glaubt, kann sie es noch immer kaum nachempfinden.
    „Was hat dich verwandelt? Dich
von Henry abwenden lassen? Nur dessen Abgründigkeit oder die Liebe Fionas?“
    Er seufzt gedehnt. „Es kamen
viele Dinge aufeinander. Ich war des Mordens überdrüssig. Es wollte kein Ende
nehmen und besserte dennoch nichts. … Dann erblickte ich dich wieder.“
    Sie tauschen einen flüchtigen
Blick.
    „Und dann war da Fiona mit
ihrer unvermuteten Liebe. Diese war wie ein endlos sprudelnder Quell und
vermochte, viele Narben zu heilen. Und sie eröffnete mir diese gütige,
friedliche Kraft, die voller Liebe ist und mit welcher man alles zu erreichen
vermag, die mich letzten Endes bekehrte. Ich wollte mich nicht mehr vom Hass
leiten lassen.“
    Sie schweigt nachdenklich, da
sie erkennt, dass auch sie, seit sie die Farben sieht, kaum noch Hass in ihrem
Herzen spürt. So fällt es ihr nun leichter, ihn zu verstehen. Doch seine
liebevollen Worte über Fiona scheinen ihr im Widerspruch zu seinen Gefühlen zu
ihr selbst zu stehen.
    Er bemerkt ihre Schweigsamkeit.
„Ihre Liebe tat mir gut. Aber sie war rein körperlich. Ich hatte oft das
Gefühl, sie überhaupt nicht zu kennen. Sie hat nicht viel von sich
preisgegeben. Vielleicht aus Angst, ich wolle zu viel über sie und ihre Kräfte
erfahren.“ Er zuckt die Schultern. „Sie war stets ein Mysterium für mich.“
    Joan bemerkt, dass sie früher
ganz ähnlich über Fiona dachte. Sie war immer eine Spur unnahbar, ihre
Fähigkeiten unergründbar. „Sie hat aufopfernd zu dir gehalten“, bemerkt sie
nachdenklich.
    „Ja. Sie war sehr
gefühlsbetont.“
    „Sie hat dich mehr geliebt, als
du sie“, schlussfolgert Joan. „Und sie hat das offenbar auch gewusst.“ Als er
schwermütig die Luft ausstösst, nimmt sie es wortlos als Bestätigung. Offenbar
plagt ihn deswegen ein schlechtes Gewissen.
    „Ich bin nicht sicher. Aber ich
glaube, dass es möglich ist, einem anderen seine Liebe einzugeben.“ Auf Joans
irritierte Miene hin schwenkt er ratlos die Hand. „Wie soll ich es erklären.
... Weißt du noch: als wir mit dem zweiten Blick miteinander fochten, waren
unsere Gedanken verbunden. Dasselbe ist mit Gefühlen möglich. Wenn man sich
einmal im Geiste miteinander verbunden hat, kann man die Empfindungen des
anderen spüren, als wären es die eigenen.“
    Joan weiß, dass es wahr ist.
Wie sonst hätte sie damals Malcoms Schmerz über ihren Tod spüren können. Ihr
war, als wäre es ihr eigener Schmerz gewesen. „Du willst sagen, du hieltst ihre
Liebe für die deine“, fragt sie fassungslos.
    Er nickt. „Ja, so ähnlich.
Manchmal frage ich mich ernsthaft, ob sie es absichtlich getan hatte. Denn ich
kann mir nicht vorstellen, dass sie nicht um dieses Phänomen wusste.“
    „Das wäre nicht recht“,
sinniert Joan.
    „Nein. Doch sie wusste, was sie
wollte.“
    „Dich“, erwidert sie und setzt
den Fuß ans sichere Ufer. „Und als du es bemerktest, hat es dich wieder von ihr
fort getrieben.“ Seinem geplagten Seufzen entnimmt sie, dass sie ins Schwarze
getroffen hat.
    Schweigsam gehen sie den
Trampelpfad entlang zur Brücke. Plötzlich hat sie einen entsetzlichen Verdacht
und bleibt stehen, um Ulman zu mustern.
    Er verhält seine Schritte
ebenfalls und betrachtet sie fragend.
    „Und wie steht es mit dir? Hast
du es auch absichtlich getan? Vorhin, als du mich küsstest?“
    Er scheint zu erstarren. „Wäre
es dir eine willkommene Erklärung?“
    „Ja“, gesteht sie, denn noch
immer verwirren sie ihre ins Atemberaubende gesteigerten Gefühle für ihn,
welche sie so urplötzlich überwältigten.
    Mit einem verdrießlichen
Schniefen lässt er die Augen aufgelöst über die Landschaft schweifen. Sein
Blick bleibt an dem kleinen schwarzen Loch in der Schneedecke des zugefrorenen
Sees hängen.
    Sie weiß plötzlich, dass sie
ihn gekränkt hat. „Entschuldige“, raunt sie nunmehr kleinlaut.
    Er deutet ein verlorenes Nicken
an. „Es tut mir Leid wegen des Kusses, Joan. Es war selbstsüchtig von mir. Ich
hätte

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