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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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der
ungraziös erscheinenden Männer in ihrer viel zu engen Frauenkleidung vor ungehaltenem
Lachen die Tränen in die Augen getrieben.
    Allmählich kehrt besinnliche
Ruhe ein. Awin und Ulman musizieren auf Laute und Flöte, man unterhält sich,
gibt sich dem Brettspiel oder den Würfeln hin. Miriam liest Isa aus der Bibel
von der Geburt Christi vor. Die Kleine krault dabei gedankenversunken dem
schläfrigen Äffchen auf ihrem Schoß durchs Fell. Sie hatte zuvor Joan um den
Gefallen gebeten, ihr vorzulesen, doch diese hatte bescheiden abgelehnt, da ihr
die Worte beim Lesen noch allzu stockend über die Lippen kommen.
    Vielen hinkt bereits die Zunge
vom übermäßigen Genuss des heißen Würzweines.
    Joan lauscht dem Spiel Ulmans
und Awins. Seine schöne Stimme lässt sie schwermütig werden. Er singt vom
klagenden Schrei eines sterbenden Schwanes, der seine Schwänin betrauert, von
deren Seite er sein ganzes Leben lang nicht wich, bis in den Tod hinein bei der
toten Gefährtin treu verharrt, welche von einem Jäger angeschossen ward.
    Blanche stößt sie plötzlich an
und reißt sie aus ihrer Melancholie.
    „Joan? Verspürst du Lust auf
eine Partie Dame?“
    Gefragte nickt lächelnd.
    Blanche springt daraufhin
freudig auf und besorgt das Spiel vom nahen Kaminsims.
    Sie ordnen die flachen
hölzernen Spielsteine nach den Farben Schwarz und Weiß und beginnen mit dem
Setzen.
    Fröhliches Gelächter lässt sie
aufblicken. Awins bildhübsche Zofe wird von Raban unter dem Mistelzweig im
Türrahmen geküsst. Joan blickt in die heitere Runde und bemerkt Miriams
schmerzverzerrtes Gesicht. Sie hält sich vornüber gebeugt den Bauch und reicht
Isa neben ihr die Bibel. Joan wirft Blanche daraufhin einen beunruhigten Blick
zu, wobei sie mit dem Kopf auf ihre Schwägerin weist. Sie erheben sich und
gehen zu ihr.
    „Miriam?“ Joan legt ihr eine
Hand auf die Schulter, während sie sie fragend mustert.
    Miriam lächelt. „Es beginnt,
allmählich unangenehm zu werden.“
    Joan runzelt die Stirn.
„Sagtest du nicht, du erwartest die Niederkunft um Weihnachten?“
    Miriam nickt stöhnend. Sie ist
blass.
    Joan streicht ihr aufmunternd
über den Rücken. „Nun, die Weihnachtsgeschichte wirst du schwerlich zu Ende
lesen können. ... Wir sollten nach der Hebamme schicken. Und du gehörst in dein
Gemach, wenn du nicht hier unten vor aller Augen zu entbinden geruhst.“
    Miriam ringt sich ein gequältes
Lächeln ab.
    Blanche und Joan nehmen sie in
ihre Mitte, greifen ihr unter die Arme und ziehen sie vom Stuhl hoch auf die
Füße.
    Die Musik verklingt. Amál steht
plötzlich mit besorgter Miene vor ihnen. Er lässt seine Frau nicht aus den
Augen. „Ich trage dich, Miriam.“
    Joan jedoch schüttelt den Kopf.
„Das Treppen Steigen treibt die Geburt voran“, erklärt sie, wobei sie sich
hilfesuchend nach Malcom umsieht. Er blickt ihr direkt ins Gesicht und kommt
nach ihrem auffordernden Nicken herüber.
    „Malcom, halte uns doch bitte
diesen besorgten Ehemann vom Leib“, scherzt sie, was ihr ein verstehendes
Lächeln von ihm einbringt.
    Mit sanfter Eindringlichkeit
zieht er Amál am Arm von ihnen weg. „Lust auf ein Fußballspiel?“
    Joan blickt erleichtert wieder
nach vorn ... und direkt in Awins stechend blaue Augen.
    „Schicke doch nach der
Hebamme“, schlägt Joan ihr vor.
    Awin nickt. „Schon geschehen“,
erwidert sie knapp und macht ihnen den Weg frei. „Wird kein Leichtes sein, in
diesem Schneegestöber hierher zu finden. Wir sollten nicht unbedingt mit ihr
rechnen.“
    Miriam stöhnt, so dass sie sich
mit ihr in Bewegung setzen.
    „Nun ja. Wir haben schließlich
alle mindestens schon ein Mal entbunden. Was brauchen wir eine Hebamme“,
versucht Joan, beruhigend auf sie einzuwirken.
    Miriam schreitet tapfer bis zur
Treppe, bevor sie sich unter der nächsten Wehe krümmt.
    „Sie kommen ja schon recht
schnell“, bemerkt Blanche dazu erstaunt. „Kreise mit den Hüften, das verschafft
Linderung.“
    Miriam tut, wie ihr geheißen
und atmet befreit auf. „Ich merke, ich bin in guten Händen.“
    Sie lassen sich Zeit mit dem
Treppesteigen. Auf Awins Veranlassung eilen Mägde mit warmem Wasser und
sauberen Tüchern geschäftig an ihnen vorbei die Treppe hinauf. Die Wehen werden
nach Miriams Stöhnen immer heftiger, die Pausen dazwischen zusehends kürzer.
Plötzlich stürzt ihr klares Wasser die Beine herab.
    John kommt ihnen erstaunt die
Treppe entgegen.
    „Miriam, du hast die Treppen
gleich geschafft“, muntert Awin sie

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