Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
Vom Netzwerk:
gesamte Burgbesatzung niedergemacht haben.“
    Ulman schluckt trocken. „Als
nächstes stürzten sich die Waffenknechte auf mich. Ich tötete oder verwundete
die meisten, bevor Roberts schwerfällige Ritter auf der Bildfläche erschienen
und noch recht begriffen, was los ist. Ich schwang mich aufs Pferd und
galoppierte zum unbesetzt gewordenen Felsentor hinaus, als wenn mich der Teufel
jagte. Die Wache an der Zugbrücke stellte sich mir noch in den Weg, doch ich
ritt sie einfach um. Beide Tore waren somit unbewacht. ... Auf dem Kamm
erblickte ich die Schotten herannahen, worauf ich mich in den Wald schlug. Sie
hatten freie Bahn, überraschten Robert. Ich ritt auf den Kamm zurück und konnte
mit ansehen, wie sie alle niedermachten, raubten und brandschatzten. ... Ich
weidete mich regelrecht an ihrem Leid, empfand boshafte Genugtuung. ... Es
bestimmte mein Handeln in den darauffolgenden Jahren. Ich war vom Hass
geleitet.“
    Malcom hat den Blick ins Leere
gerichtet und schlägt wortlos nickend die Augen nieder, als Ulman geendet hat.
Dieser packt ihn eindringlich am Arm. „Glaube mir, ich bereue heute zutiefst,
ihnen nicht zu Hilfe gekommen zu sein. Ich hätte es wenigstens ... versuchen
müssen. Hätte umkehren, die Zugbrücke heraufziehen und sie warnen sollen. ...
Es verfolgt mich bis in meine Träume hinein.“
    Malcom atmet durch. „Bloß
schade, dass du dich mir nicht schon früher anvertrautest. Ich hätte dich trotz
allem mit offenen Armen begrüßt, dich gegen Percy als Mittler gebraucht.“
    „Du verzeihst es mir“, fragt
Ulman hoffnungsvoll.
    Malcom schnieft versonnen. „Sie
provozierten dein Handeln. ... Ich fühle mich nicht imstande, dich zu
verurteilen. Dafür habe ich selbst zu viel auf dem Kerbholz.“
    Ulman versucht, sich
aufzurichten, lässt jedoch stöhnend davon ab. „Es hat den Anschein, jemand
anderes wird bald über mich richten.“ Er lacht verhalten. „Eine Ironie des
Schicksals, dass ich letzten Endes durch jene Hand sterbe, der ich
fälschlicherweise diente. ... Es ist meine Strafe. Man darf Percys fütternde Hand
nicht beißen.“ Seine Stimme wird zusehends matter, die Farbe ist ihm aus dem
Gesicht gewichen. „Ich fürchte, ich halte nicht mehr lange durch. ... Wo bleibt
der Richter? Meine letzte Tat soll sein, ein Unrecht aus der Welt zu schaffen.“
    Malcom nimmt Joans Hand, um sie
neben sich zu ziehen. Dann erhebt er sich und legt ihr Ulman behutsam auf die
Knie. „Halte durch. Ich werde nachsehen, wo er bleibt.“
    Joan streicht Ulman übers Haar.
Er fährt ihr lächelnd übers tränennasse Gesicht. „Weine nicht, Joan. Es ist gut
so.“
    Sie schüttelt den Kopf. „Nichts
ist gut“, schluchzt sie. „Ich werde dich nie wieder sehen. Du wirst tot sein.
Gabst dein Leben für meines.“
    „Ja. Nun sind wir quitt. ...
Ich fürchte den Tod nicht. Auch wenn ich nicht mehr an Himmel oder Hölle glaube,
so doch daran, dass es weitergeht. Hinter allem steht eine mächtige, friedliche
Kraft, die nichts sich selbst überlässt, ... die alles in Liebe umfängt und
regelt. Ihr überlasse ich mich in höchstem Vertrauen. Ich bin ... sogar
gespannt darauf, bald hinter das große Geheimnis zu kommen. ... Stell dir vor,
ich kann pausenlos mit dem zweiten Blick sehen.“
    Sie muss lachen, was wohl in
seiner Absicht lag. Doch ihre Tränen können nicht über ihre Erschütterung, ihre
unendliche Trauer hinwegtäuschen. Sie rinnen ihr weiterhin in Strömen über die
Wangen.
    „Beim nächsten Mal mache ich
alles besser. Ich werde dich nicht wieder gehen lassen.“
    Sie schnieft.
    Er legt eine Hand gegen ihre
Wange. „Es tut mir um Leander leid. Erzähle ihm von mir, ja?“
    Sie nickt, ist zu keinem Wort
fähig.
    „Ich weiß ihn gut bei dir
aufgehoben. ... In meinem Gemach auf Dowell Castle findet ihr die Münzen, mit
welchen ich ein neues Leben mit ihm beginnen wollte. Lasst sie Leander
zukommen, wenn er volljährig ist. ... Lasst ihn ... das Waffenhandwerk lernen.
Doch es soll nur seiner Verteidigung dienen. Gebt ihn, wenn die Zeit reif ist,
in die Obhut von Rian. Das wäre zumindest mein Wunsch. Ich hoffe, er entspricht
auch dem ... meines Sohnes.“
    Joan versucht, sich vor ihm und
den anderen zusammenzureißen. Sie bemerkt, dass er sie mit dem zweiten Blick
betrachtet. Malcom und John erscheinen in Begleitung eines älteren Mannes in
wallender Robe mit kurzgeschnittenem, weißen Vollbart.
    „Ich werde auf dich Acht geben,
Joan. Finde zu Malcom“, raunt Ulman.
    Sie

Weitere Kostenlose Bücher