Die rote Farbe des Schnees
Unglückliche schon?“
„Ja.“
Er nickt und schlurft
altersgebeugt über den Steinfußboden zu einer Wand hinüber. „Bis auf die Rinde
der Sommereiche hast du gut gewählt, Mädchen. Bereitet ihm ein Sitzbad.“
„Ich will Mondkräuter“,
unterbricht sie ihn.
Er wendet sich zu ihr um und
mustert sie. Ein zahnloses Lächeln huscht über sein faltiges Gesicht. „Gut.
Wenn du es dir leisten kannst.“ Er wechselt zu einer anderen Stelle und
schneidet die entsprechenden Bündel von quer über die Wand gespannten Schnüren,
die allesamt mehrere Spannen Abstand von den bloßen Steinen haben. Joan
überlegt, dass dies der Haltbarkeit der Kräuter, die nach Ablauf eines Jahres
erneuert werden müssen, nur zuträglich sein kann und nimmt sich vor, es in
Zukunft ebenso zu halten.
„Warum nicht die Eichenrinde“,
fragt sie ihn wissbegierig und glaubt im Halbdunkel zu erkennen, wie sich seine
Mundwinkel zu einem erneuten Lächeln verziehen.
„Bei solch größeren Hautleiden,
welche von Entzündung und Fieber begleitet werden, ist davon abzuraten. Vor
allem als Sitzbad. Die Krankheitszeichen könnten sich verschlimmern“, erklärt
er bereitwillig, während er den Deckel von einem irdenen Töpfchen hebt und
diesem zwei Hand voll Walnussschalen entnimmt, die er auf ein Stück Papier
gibt, um sie hineinzuwickeln. Mit den anderen Kräutern verfährt er ebenso,
kritzelt jedoch vorher mit seinen gichtgekrümmten Fingern die Rechnung auf
einem der Blätter zusammen, welches er ihr dann überreicht. Joan wühlt
daraufhin in ihrer Gürteltasche nach ihren Pennys. Ihr Blick fällt auf ein
Büchlein auf dem Tisch des Alten. Sie nickt hinüber. „Ist das ein Kräuterbuch?“
Er folgt ihrem Blick und nickt.
„Ich schrieb es selbst. Es beinhaltet das Wissen um Heilkräuter und deren
Zubereitungen aus meinem schier endlos langen Leben.“
Sie reicht ihm die Münzen.
„Darf ich?“
Er lächelt. „Nur zu“, meint er
auffordernd, worauf sie zum Tisch hinüber geht. Sie nimmt das Buch auf und
beginnt, darin zu blättern. Die Namen der Pflanzen sind nach dem Alphabet
geordnet. Er hat jedes Kraut in einer kleinen Skizze festgehalten. Daneben
stehen weitere gebräuchliche Namen, wo es am besten gedeiht, wann es blüht,
welche Teile man verwendet, wie man es aufbereitet und schließlich, wogegen es
hilft. Die Seiten sind von Anfang bis Ende durchnumeriert. In einem hinteren
Teil stehen noch einmal die Krankheiten aufgelistet und auf welchen Seiten sie
behandelt werden. Es ist von vorn bis hinten vortrefflich durchdacht.
Anerkennend wiegt sie den Kopf. „Ich nehme mir vor, auch eines anzulegen.“
„Du bist der erste Mensch, der
sich dafür interessiert“, bemerkt er nachdenklich. „Wie ist dein Name?“
„Joan of Farwick.“
Er nickt. „Joan
of Farwick. Du kannst gern beim alten Patrick vorbeisehen, wenn du einen
Rat benötigst.“
Sie lächelt. „Hab’ dank. Ich
weiß dein Angebot zu schätzen.“
Darauf wendet sie sich Ulman
zu, der ihr die Päckchen abnimmt. Patrick geleitet sie zur Tür seiner Offizin
und schließt ihnen auf. Sie wünschen ihm zum Abschied eine geruhsame Nacht und
treten hinaus auf die Straße.
Die Nacht ist windiger
geworden. Es hat zu nieseln begonnen. Sie beeilen sich, um die Kräuter nicht
nass werden zu lassen.
Zurück in Amáls Stadtwohnsitz
weckt Ulman Rupert auf. Die beiden kommen in die Küche, als Joan die Kräuter
gerade mit einem Wiegemesser zerkleinert.
„Siedet das Wasser über der
Kochstelle? Im Grunde sollte es das. Ich setzte es auf, bevor wir uns
aufmachten.“
Ulman geht zum Kochkessel und
späht hinein. Er nickt. „Es kocht.“
Sie zerstößt nun die
Heilkräuter in einem Mörser, wobei sie Rupert mustert. Noch immer fiebrig
wirkend kommt dieser auf sie zu.
„Ich kann das selbst
erledigen“, wendet er ein und nimmt Joan den Stößel aus der Hand. „Geht
schlafen.“
Joan will Einwand erheben, doch
er schüttelt vehement den Kopf. „Ihr habt schon genug für mich getan.“
Ulman legt ihm mitfühlend eine
Hand auf die Schulter und verabschiedet sich von ihnen.
Joan seufzt, um dann Rupert
verstohlen zu beobachten. Er stellt sich gar nicht so ungeschickt an, auch wenn
er einen ungewöhnlichen Anblick bietet. Mörser und Stößel verlieren sich
beinahe in seinen Pranken.
„Wohl denn. Gib die Kräuter in
den Kessel, lass sie einen Moment aufkochen, bis sich das Wasser viel dunkler
gefärbt hat und seihe dann den Absud in den Zuber ab. Warte, bis er dir
angenehm
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