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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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Staunen offenem Mund auf die über Julian hochschlagenden Flammen.
Offenbar sieht Leander unentwegt mit dem zweiten Blick, grübelt Joan.
Unweigerlich fühlt sie sich an die Erzählung Vater Isidors vom Knaben aus
Engedey erinnert. Doch zwingt sie ihre Konzentration zurück auf Julian. Sie
weiß mittlerweile aus Erfahrung, dass ein roter Lichtkörper Strapazen bedeuten
kann und lässt eilig vom zweiten Blick ab, um ihre Umgebung wieder mit vertrauten
Sinnen wahrzunehmen. Hastig stellt sie Leander auf den Boden, entwendet Muriel
den noch vollen Becher und riecht an seinem Inhalt.
    „Joan?“ Amál betrachtet sie
fragend.
    „Es ist der Saft von frisch
gepressten Äpfeln“, erklärt Muriel verunsichert.
    Joan nickt. „Etwas stimmt nicht
damit.“ Ihr Blick fällt auf den Krug. „Wie lange gibst du ihm schon von dem
Saft?“
    „Bereits seit Wochen“, erwidert
Muriel. „Ich hatte den Eindruck, meine Milch reicht nicht mehr für die beiden.
Wenn er noch Durst hatte und meine Brüste bereits leer waren, gab ich ihm etwas
von diesem Saft. ... Er ist sehr gut. Ich selbst bekam ihn als Kind“, murmelt
sie noch, bevor sie mit einem Male entsetzt eine Hand vor den Mund schlägt.
Ernüchtert schüttelt sie den Kopf. „Mein Gott. Es geht ihm so schlecht, seit er
von dem Saft bekommt. Warum fiel mir das bisher nicht auf“, flüstert sie
verzagt.
    „Schenktest du ihm immer aus
dem Krug hier ein“, fragt Joan eindringlich.
    Die Augen der jungen Frau
weiten sich entsetzt, bevor sie wortlos nickt.
    Joan ergreift den Krug, ein
zweifellos schön gearbeitetes Stück aus glänzendem Zinn.
    „Woran denkst du“, fragt Amál
ungeduldig.
    Joan wiegt nachdenklich den
Kopf. „In der Zeit, in welcher ich in Thornsby lebte, kam ein fliegender
Händler mit solchem Zierrat auf seinem Weg in den Süden des Landes bei uns im
Dorf vorbei. Eine weise Frau, welche mich lehrte, mit Heilkräutern umzugehen,
riet den Leuten tunlichst vom Kauf ab. Die Sachen würden krank machen.“
    Sie schrickt zusammen, als Amál
ihr den Krug entreißt und diesen ungehalten in eine Ecke des Gemaches
schleudert, dass es nur so scheppert.
    Sie schweigen bewegt.
    Joan
räuspert sich schließlich. „Ich werde ihn mit Kräutern behandeln, welche Gifte
aus dem Körper leiten.“
    Mit ihrem
eingehenkelten Weidenkörbchen voller frisch gesammelter Kräuter bahnt sich Joan
einen Weg aus dem dichten Unterholz heraus und betritt den breiten Waldpfad.
Während sie das Kreuz durchbiegt, vernimmt sie hinter sich das dumpfe Stampfen
unzähliger auf den Waldboden tretender Pferdehufe. Sie geht zur Seite und
erspäht die ersten Reiter zwischen den Baumstämmen hindurch. Der Zug trottet
bis auf das Schnauben und Tappen der Pferde beinahe geräuschlos vor sich hin.
Kenneth reitet an der Spitze und reißt sein Ross bei Joans Anblick erschrocken
an den Zügeln. Dann erkennt er sie und muss über sich selbst lachen.
    „Joan! Für einen Moment glaubte
ich, eine Waldfee überrascht zu haben.“ Er nähert sich ihr lächelnd und beugt
sich zu ihr herab, um etwas von ihren Haaren zu lesen. Wie eine Trophäe hält er
ein beachtliches Büschel langen, hellgrünen Feenhaares in der Hand, während er
auf sie herab grinst. Sie muss es unbewusst von den ausladenden Zweigen der
Bäume aufgelesen haben, als sie auf der Suche nach Kräutern unter ihnen
umherstreifte. Kenneth wirft es achtlos beiseite. „Willst du aufsitzen?“
    „Nein. Ich warte auf Malcom“,
erwidert sie lächelnd.
    Kenneth nickt. „Er reitet am
Ende, bei Ulmans Sarg“, bemerkt er, bevor er sein Pferd wieder antreibt.
    Joan atmet durch. Zerstreut
erwidert sie die herzlichen Grüße der Männer, die an ihr einträchtig
vorüberziehen. Als sie Malcoms hochgewachsene Gestalt auf seinem mächtigen
Schlachtross erblickt, überkommt sie ein beklommenes Gefühl. Doch sie denkt an
Awins Worte und richtet sich gerade auf. Nein, sie hat sich nichts zu Schulden
kommen lassen. Unendlich langsam bewegt sich Ulmans Sarg auf einem Gestell
zwischen zwei Packpferden an ihr vorüber. Es bereitet ihr Pein, die nicht
Besitz von ihr ergreifen darf. Sie kämpft sie erfolgreich hinunter, gerade noch
rechtzeitig, um Malcom reglos ins nachdenkliche Gesicht zu blicken. Er lenkt
Brix aus dem Zug heraus und hält neben ihr. Nachdem die restlichen Packpferde
vorübergetrottet sind, tritt wieder Stille ein. Diese ist so bedrückend
vollkommen, dass Brix’ knarrendes Zaumzeug zu vernehmen ist, als er zutraulich
den Kopf zu ihr herabneigt und sie

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